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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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an andere, attraktivere Frauen zu denken, um überhaupt noch erregt zu werden. (Arme Johanna, wenn sie gewußt hätte, welch verwerfliche Gedanken durch seine Ganglien sausten! Wenn sie gewußt hätte, wie wenig ihm ihr Körper noch bedeutete!)
    Er fühlte sich sonderbar gut. Teuflisch gut. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Ihn beschlich sogar der verrückte Gedanke, was ihm jetzt widerfuhr, könnte womöglich gar ein Wink des Himmels sein. Eine Art Wiedergutmachung von oben für all das ihm zugefügte Unrecht (wenn es denn ein »Oben« gab). Er mußte grinsen und verwarf den Gedanken sofort wieder.
    Es war gut, daß Johanna schlief, sie keinen Zugang zu seinen Gedanken fand; er allein war mit sich und der Zukunft. Träume. Geld. Wohlstand.
(Träume süß, liebe Johanna!)
    Er lag etwa eine halbe Stunde regungslos, die meiste Zeit die Augen zur Decke gerichtet. Seine Arme begannen zu schmerzen, und als er sie unter dem Kopf hervorzog, machtensich Millionen von Ameisen auf einmal auf den Weg von der Schulter in Richtung Hände bis in die Fingerspitzen hinein. Er schüttelte die Hände, um so das schmerzhafte Ziehen schneller loszuwerden, schließlich stand er leise auf und ging ins Bad. Entleerte seine Blase, die Ameisen hatten ihre Wanderung beendet. Er betrachtete sein Gesicht im Spiegel, zwei Pickel auf der linken Wange, tiefe Ringe unter den Augen, dunkle Bartstoppeln, erste Falten auf der Stirn, Geheimratsecken. Er sah sich in die Augen, um herauszufinden, was für ein Mensch ihm da gegenüberstand. Ein schlechter, ein guter oder einfach nur ein gebeutelter Mann? War er lau oder ein toter Fisch oder lediglich jemand, der einfach nur die ihm jetzt gebotene Chance mit beiden Händen ergriff? Er lächelte sich aufmunternd zu und grinste dann, zog eine Grimasse, wackelte mit den Ohren. Wenn Nathalie oder Alexander jetzt hereingekommen wären, sie hätten gelacht. Er hatte sich nicht verändert, physisch. Und würde sich auch nicht verändern. David war David und würde immer
derselbe
David bleiben.
    Viertel nach fünf. Die Musik hämmerte. Eines Tages, so schwor er sich, spätestens beim Auszug, wollte er diesem asozialen Pack über ihnen eine Bombe, gefüllt mit einem riesigen Haufen Hundescheiße, als Abschiedsgeschenk vor die Tür legen. Er legte sich wieder hin, die ersten Strahlen der Sonne kamen hinter einem Baum hervorgekrochen. Johanna drehte sich knurrend auf die andere Seite, die Matratze ächzte. Die Matratzen waren billig und durchgelegen, wahrscheinlich ein Grund für seine bisweilen reißenden Rückenschmerzen. Er schlief ein, nachdem er lange über die Zukunft sinniert hatte, wie durch ein Wunder die Musik abgestellt wurde, und um Punkt Viertel nach sieben – er hatte noch eine Stunde geschlafen – weckte ihn Johanna, die sich herunterbeugte und ihm einen leichten Kuß auf die Stirn drückte. Insgeheim freute er sich auf den vor ihm liegenden Tag.

Freitag, 18.30 Uhr
    »Es ist eine verfluchte Sauerei«, sagte Hauptkommissar Manfred Henning und fuhr sich mit einer Hand über den Dreitagebart. Er schüttelte den Kopf, ging um die Leiche, betrachtete sie. »Wie heißt er?«
    »In seinem Paß steht Manuel Martinez …«
    »Paß? Ist er Spanier oder was?«
    »Nein, der Paß ist in Paraguay ausgestellt worden.«
    »Der Typ heißt also Manuel Martinez und kommt aus Paraguay? Seltsam. Ist er Diplomat oder was?«
    »Nein, es ist kein Diplomatenpaß.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Das Zimmermädchen. Er hat heute morgen um genau vier Uhr dreißig beim Portier Bescheid gesagt, daß er nicht gestört werden möchte und um Punkt achtzehn Uhr geweckt werden soll. Als sich auf den Anruf vom Weckdienst hin keiner meldete, haben sie das Zimmermädchen hochgeschickt, die ihn dann gefunden hat. Die Tür war abgeschlossen, aber der Schlüssel steckte nicht.«
    »Wann?«
    »Fünf nach sechs etwa. Sie ist völlig fertig. Ist ja auch kein schöner Anblick.«
    »Arzt?«
    »Schon angefordert. Wird gleich hier sein.«
    »Seit wann ist er in Deutschland?«
    »Seit vorgestern.«
    »Was hat er hier gewollt?«
    »Keine Ahnung. Wir haben bis jetzt nichts angerührt; wir wollten warten, bis Sie hier sind.«
    Hauptkommissar Henning schaute auf den Toten. Er lag auf dem Rücken, war nackt, sein Anzug hing wie sein Hemd auf einem Bügel, die Unterwäsche lag zusammen mit den Sockenauf dem Ankleidestuhl, die Schuhe, in denen Schuhspanner steckten, standen daneben. Es roch säuerlich nach den Ausscheidungen, die im Augenblick

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