Die Bankerin
ich krieg sonst keine Luft mehr!«
Esther hatte das sinnliche Parfüm ihrer Mutter aufgelegt. Sie ging vor ihm zum Aufzug, drückte den Knopf. Nicole stand in der Tür und wartete, bis sich der Aufzug nach unten in Bewegung setzte. Esther machte mit ihrem Kaugummi ab und zu Blasen und ließ sie mit lautem Knall zerplatzen. Einige Male musterte sie David provozierend von der Seite. Sie lief dicht neben ihm zum Auto, er schloß zuerst ihre Tür auf. Er fuhr aus Frankfurt heraus und nahm die Autobahn Richtung Wiesbaden. Esther legte ein Bein auf die Handablage, das andere streckte sie aus, ihr Blick ging durch das Seitenfenster.
»Wo fahren wir eigentlich hin?« fragte sie nach einer Weile.
»Weiß nicht. Für was interessierst du dich denn?«
»Gehen wir ins Kino. Läuft gerade ein absolut abgefahrener Film mit Luke Perry. Kennen Sie Luke Perry?«
»Nein, tut mir leid. Und außerdem, du brauchst mich nicht zu siezen, ich heiße David, wie du weißt.«
»Okay, David. Kennst du ein Kino in Wiesbaden?«
»Nein, aber wir werden sicher eines finden.«
»Was machst du eigentlich für meine Mutter? Bist du ihr Liebhaber oder nur ein Angestellter?«
David grinste errötend. »Was wäre dir denn lieber?«
»Mir egal. Es interessiert mich einfach nur.«
»Ich arbeite für sie. Dreimal in der Woche für vier Stunden.«
»Und immer abends?«
»Immer abends.«
»Hast du keine Familie?«
»Doch, ich habe eine Frau und vier Kinder.«
»Und dann schläfst du mit meiner Mutter?«
»Wie kommst du denn darauf?« David errötete noch mehr.
»Nur so.«
David erwiderte nichts, fuhr in die Innenstadt von Wiesbaden und fragte einen Passanten nach einem Kino. Sie kamen eine Viertelstunde zu spät, der Hauptfilm war noch nicht angelaufen. Es war nicht der von Esther gewünschte Film. David kaufte an der Kasse eine Tüte Popcorn und in der Pause zwischen der Werbung und dem Hauptfilm eine Pakkung Eis. Das Kino war nur spärlich besetzt, der Film lief bereits die zehnte Woche. Als der Film begann, legte Esther ihre Beine auf die Rückenlehne vor sich und faltete die Hände über dem flachen Bauch. Da war wieder dieses ungemein Aufreizende, Provozierende, das David so erregte, im von der Leinwand reflektierten flackernden Licht betrachtete er aus den Augenwinkeln ihre makellosen Beine, diese Harmonie, diese perfekten Formen. David konzentrierte sich kaum auf den Film. Er stellte sich vor, seine Hände über ihre Beine streichen zu lassen, ihren Bauch und höher, sein Blut pulsierte in den Adern. Sie war siebzehn, noch zwei Monate bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag, sie hätte seine Tochter sein können, doch sie war anders als alle siebzehnjährigen Mädchen, die er bisher kennengelernt hatte. Sie war eine junge Frau, frech, provozierend, aufsässig und doch ein kraftvoller Magnet. Er stellte sich vor, sie zu küssen, diesen kleinen, roten Mund, diese noch jungen, zarten Kirschen, ihre Knospen zu befühlen, sie zu streicheln, sie im Arm zu halten.
»Wollen wir noch eine Kleinigkeit essen gehen?« fragte David nach dem Film.
»Nee, keinen Hunger.«
»Spazierengehen?«
»Nee, laß uns ein bißchen mit dem Auto rumfahren. Der Film war langweilig.«
»Ich hab auch schon bessere gesehen. Na ja, oft ist die Reklame besser als der Film.«
Sie fuhren aus Wiesbaden heraus, Richtung Frankfurt.
»Was machst du beruflich?«
»Ich arbeite in einer Computerfirma.«
»Wie alt sind deine Kinder?«
»Der Älteste ist zweiundzwanzig, der jüngste zehn …«
»Zweiundzwanzig! Ich habe dich für jünger gehalten.«
»Wie alt schätzt du mich denn?«
»Weiß nicht, ich dachte, du bist bestimmt nicht älter als Anfang Dreißig. Aber das kann ja wohl schlecht sein …«
»Der älteste Sohn stammt aus der ersten Ehe meiner Frau.«
»Und die ist älter als du, stimmt’s? Viel älter?«
»Nein, nicht viel, nur ein bißchen.«
»Na gut, dann bist du vielleicht fünfunddreißig. Hab ich recht?«
»Ja, kommt hin«, schwindelte er.
Sie gab sich mit der Antwort zufrieden und kaute weiter auf ihrem Kaugummi, den sie den ganzen Abend über im Mund hatte.
»Zeigst du mir das Bahnhofsviertel?« fragte sie.
»Warum das?«
»Ich hab gehört, dort soll’s ganz schön zugehen. Ich würde nur gerne mal durchfahren.«
David lenkte den Wagen durch das Viertel, durch die zum Teil engen, um diese Zeit von vielen Autos verstopften Straßen. Von allen Seiten blinkte es rot, gelb und grün, zuckten die Neonröhren in der schwülen Nacht, priesen
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