Die Bankerin
auf sie zu und legte ihre Arme um sie.
»Was ist los?« fragte sie.
»Irgendwer hat Maximilian entführt. Nein, nicht richtig entführt, er ist am Goetheturm. Ich muß sofort dorthin fahren.« Sie wischte sich die Tränen mit einem Papiertaschentuch ab, putzte sich die Nase.
»Warum rufst du nicht Papa an?« fragte Nathalie.
»Stimmt, ich sollte ihn anrufen. Er hat das Auto, mein Gott,ich bin völlig durcheinander!« Sie verwählte sich aus lauter Nervosität zweimal. David war gerade auf der Toilette, er würde zurückrufen, sagte eine Frauenstimme, doch Johanna sagte, es wäre äußerst dringend, sie würde warten.
Goetheturm, 12.35 Uhr
Maximilian saß auf einer Bank, die Schultasche neben sich auf dem Boden. Er war allein und schlenkerte mit den Beinen. Er sah David mit großen Augen an, der auf ihn zustürzte und ihn an sich preßte.
»Was ist passiert?« fragte er. »Warum bist du hier?«
»Der Mann hat mir einen Zettel von dir gezeigt und gesagt, er sollte mich zu dir bringen …«
»Mein Gott, Maximilian, ich habe dir doch schon tausendmal gesagt, daß du nicht mit Fremden mitgehen sollst! Was, wenn es ein böser Mann gewesen wäre?«
»Er hat mir ein Eis gekauft und ein Micky-Maus-Heft. Er war nicht böse, er hat nur eine ganz schön blöde Stimme gehabt. Wie ein kleiner Junge, der sich verschluckt hat.«
»Wie hat er ausgesehen?«
»Weiß nicht. Ich glaube, er war nicht größer als du.«
»Und weiter? Seine Haarfarbe, war er dick oder dünn, was für Sachen hatte er an?«
»Ich glaube, er hat so Haare wie Alexander, und er hat Jeans und ein T-Shirt angehabt.«
»Gut. Komm, ich bring dich nach Hause.«
»Was ist mit dem Mann?«
»Nichts, es ist schon alles in Ordnung«, log David.
Johanna wartete bereits ungeduldig auf der Straße undschlang ihre Arme um Maximilian. David ging mit nach oben, und nach einer Weile, nachdem Johanna Maximilian ausgefragt hatte, bestand sie energisch darauf, mit ihm zu reden. »Wir müssen die Polizei einschalten«, sagte sie. »Das ist zuviel! Auch wenn dieses Schwein gesagt hat, wir würden dadurch alles noch schlimmer machen. Ruf Manfred Henning an, bitte!«
»Hatte ich sowieso vor. Aber was soll ich ihm sagen? Daß Maximilian entführt wurde? Dabei wurde er doch gar nicht richtig entführt. Soll ich ihm von den Telefonanrufen berichten? Er wird einen Beweis verlangen. Und dann solltest du nicht vergessen, sie werden all das mit Thomas in Verbindung bringen und den Jungen dadurch noch mehr unter Druck setzen. Aber um dich zu beruhigen, ich habe schon seit längerem Kontakt zu Manfred. Wir denken beide, daß unter Umständen der Tod von Meyer, das mit Thomas, die Anrufe, die Vorfälle mit dem Auto, das mit der Schlange und jetzt wahrscheinlich auch die Entführung irgendwie miteinander zusammenhängen. Aber er kann nichts tun. Wo soll er suchen? Ich kann ihm nur Fakt für Fakt auf den Tisch legen, und vielleicht ergibt sich daraus ja eines Tages ein vollständiges Bild. Ich finde, wir sollten versuchen, uns mit den Tätern zu arrangieren. Ich weiß zwar selbst nicht, wie das aussehen soll, aber mir wird schon was einfallen. Noch ist nichts Gravierendes passiert …«
»Nichts Gravierendes?! Nennst du das alles nichts Gravierendes? Thomas, nichts Gravierendes? Er ist für den Rest seines Lebens gezeichnet. Wir werden niemals mehr den Thomas zurückbekommen, der er noch vor ein paar Wochen war! Komm, mach dir doch nichts vor, sie wollen uns vernichten, und sie werden es schaffen, wenn nicht bald etwas geschieht, und zwar von seiten der Polizei!«
»Sie hätten Maximilian doch ganz leicht entführen und …«
»Und was?« fragte Johanna mit zornigem Blick. »Ihn umbringen können? Das ist es doch, was du sagen wolltest,oder? Willst du warten,
bis
sie einen von uns umbringen?« schrie sie ihn wild und mit bösem Funkeln in den Augen an, wie David sie noch nie zuvor gesehen hatte. »Soll ich dir was sagen, im Moment steht mir alles bis hier oben hin«, sagte sie und deutete mit einer Hand auf ihr Kinn. »Und sollte, was ich persönlich noch immer nicht glaube, Thomas wirklich in eine faule Sache verwickelt sein, dann sehe ich nicht ein, warum unsere ganze Familie darunter leiden sollte! Thomas ist alt genug, um für sein Handeln die Verantwortung zu übernehmen. Aber wir sind ein paar Personen mehr, merk dir das! Doch ich werde mich vorläufig noch zurückhalten und alle Entscheidungen dir überlassen. Aber bei der nächsten Kleinigkeit … Du weißt, es gibt
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