Die Bankerin
ein verständiger und folgsamer Junge.
Am Mittag überraschte Johanna David mit dieser Nachricht im Büro.
»Das ist eine prima Idee. So sind sie wenigstens fürs erste aus der Schußlinie.«
»Bleiben nur noch wir …«
»Warum wir? Warum fährst du nicht einfach mit? Damit wäre die Belastung von deiner Mutter genommen.«
»Ich habe auch schon daran gedacht, aber … nun, kämst du denn allein zurecht?«
»Allemal. Fahr mit, eine Luftveränderung könnte auch dir nichts schaden. Außerdem ist ja auch noch Alexander da. Wir passen schon auf uns auf.«
»Aber euer Verhältnis in letzter Zeit ist nicht gerade das beste.«
»Wir werden uns arrangieren, mach dir keine Sorgen.«
Johanna, Nathalie und Maximilian würden für längere Zeit den Belastungen in Frankfurt entfliehen, Alexander war alt genug, wie er selbst behauptete, auf sich selbst aufzupassen, und David – ein beinahe diabolisches Grinsen überzog sein Gesicht, natürlich, auch er hätte freie Bahn, zumindest einige Wochen lang. Esther! Welch grandioser Einfall, sich freie Bahn zu schaffen für Esther, für sein Küken, seine kleine Zauberfrucht! Das einzige, was ihm weniger behagte, war die Aussicht auf ein strapaziöses Wochenende, an dem er die lange Fahrt an die Ostsee machen mußte.
Oh, Esther, wie gerne hätte er sie durch die Tür schweben sehen …
Du Narr!
sagte er sich immer wieder, wenn sie zu intensiv durch seinen Kopf geisterte.
Du alter, verdammter Narr! Wo willst du eigentlich landen? Reicht nicht, was du jetzt schon tust, mußt du es noch weitertreiben? Sieh dich vor, David von Marquardt! Alles um dich herum versinkt in Schutt und Asche, deine Familie geht zugrunde, und du verliebst dich in ein junges Gör und benimmst dich wie ein geiler Gockel mit stolz geblähtem Kamm!
Doch wie konnte er seinen Gedanken, seiner Phantasie Einhalt gebieten, seinen Ideen verbieten, nicht länger die herrlichsten Bilder hervorzuzaubern? Ja, ja, ja, er hatte sich verliebt, und er wußte um die zusätzliche Gefahr, die er dadurch heraufbeschwor, daß das Damoklesschwert sich immer tiefer senkte, daß er sich dadurch auch Nicole zur erbitterten Feindin machen konnte, doch der Name Esther allein genügte, seinen Körper zum Zerreißen zu spannen und alle Sorgen und Nöte und Gefahren wegzuwischen und zu vergessen. Nie in seinem Leben hatte er auch nur einen Moment an ein Verhältnis mit einem so jungen Ding gedacht. Und jetzt war sie aufgetaucht, und mit ihr brach eine unheimliche, gespenstische Macht in ihm hervor, eine Macht, die er nie in sich vermutet hätte.
Er versuchte sich abzulenken, eine neue Lieferung Handbücherwar eingetroffen, die er selber auspackte und in Regalen verstaute. Es waren neue Bücher für PC-Anwender, die sich hauptsächlich mit Textverarbeitung und der Erstellung von Grafiken beschäftigten. Er nahm eines der Handbücher für Textverarbeitung, schlug es auf – und erstarrte. M ARQWORD ! Nur daß es jetzt einen anderen Namen trug – C OMWORD ! Die P RO C OM hatte also die Softwarerechte an seiner alten Firma gekauft! Über einen Mittelsmann hatte Werner Holbein sich die M ARQUARDT G MB H unter den Nagel gerissen. Und das war wohl auch der einzige Grund, weshalb er ihm so generös den lausigen Posten in der Poststelle verschafft und sich für ihn bei der Bank eingesetzt hatte. Holbein, das war also seine Rache für die alte Feindschaft! Und jetzt verstand David auch, daß Holbein zwei seiner früheren Softwareentwickler, seine beiden besten Männer, in die P RO C OM übernommen hatte. Und er selbst hatte von all diesen Spielchen nichts geahnt oder gar mitbekommen. Er würde Holbein, diesen linken Hund, zur Rede stellen. Für einen kurzen Moment flackerte in ihm der Gedanke auf, Holbein könnte auch mit den Terrorakten in Verbindung stehen, aber er verwarf den Gedanken gleich wieder, diese Gemeinheit wiederum traute er ihm nicht zu. Vor allem gab es für Holbein keinen Grund, er war ein geld- und machtbesessener Mann, ohne Zweifel, aber kein gewalttätiger.
Die Tür zu Davids Büro stand offen, als er die Gestalt von Holbein vorüberhuschen sah. David sprang auf, rannte aus dem Büro. »Werner!« rief er ihm hinterher, worauf Holbein stehenblieb, sich umdrehte und David angrinste. David blieb direkt vor ihm stehen und sagte mit ernster Miene: »Könnte ich kurz mit dir reden?«
Holbein schaute auf die Uhr. »Eigentlich habe ich in zehn Minuten einen Termin … ist es wichtig?«
»Für mich allerdings!«
Holbein holte
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