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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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mitten in einen geschäftigen Markt zu fahren. Was dachten sie sich nur dabei? Wie konnte ein Mensch, der sich selbst als religiös betrachtete, glauben, dass es einen Gott gab, der eine solche Tat gutheißen würde?
    Die Antwort war weniger kompliziert, als viele dachten. Das waren Männer – es waren stets chauvinistische fanatische Männer –, die einer pervertierten Auslegung des Islam folgten. Männer, für die Gewalt seit ihrer frühesten Jugend etwas Alltägliches war. Männer, die ihren tief verwurzelten Hass kultivierten und die stets anderen die Schuld für ihre Probleme gaben. Es hätte ihnen Angst gemacht, in einem ruhigen Augenblick darüber nachzudenken, was sie taten. Es waren Männer, die es nicht wagten, den ganzen Koran zu lesen, weil sie wussten, dass sie darin die Worte eines Propheten finden würden, der ihre Taten niemals gebilligt hätte.
    Das waren die Verbrecher, die Rapp jagte. Männer, die keinerlei Achtung vor einem Menschenleben hatten und die deshalb nicht mit Nachsicht rechnen konnten. Es gab nur eine Handvoll Menschen, die wirklich verstanden, mit welcher Hartnäckigkeit und Disziplin Rapp seiner Arbeit nachging. Mit welcher Unbeirrtheit er diese Leute verfolgte, manchmal monatelang. Und wenn ihn seine Jagd ans Ziel geführt hatte, galt es erst einmal ruhig abzuwägen und den richtigen Moment zu finden, um zuzuschlagen – den Moment, in dem er dem Gejagten nahe genug kam, um ihm ein Messer in den Hals zu stoßen und den Nervenstrang zum Gehirn zu durchtrennen, sodass der ganze Körper mit einem letzten Zucken erschlaffte. Wer verstand schon die Genugtuung, die es ihm bereitete, einen dieser wahnsinnigen Fanatiker für das, was er so vielen Unschuldigen angetan hatte, bestrafen zu können. Und dafür zu sorgen, dass zumindest dieser eine kein Menschenleben mehr zerstören konnte.
    Seine Missionen hatten Rapp in den vergangenen Jahren oft in unwirtliche Gegenden geführt. Er hatte in den feuchten Urwäldern der Philippinen und Südostasiens übernachtet, von Moskitos geplagt, die so groß waren wie Singvögel. Er hatte den Nordrand der Sahara zu Fuß durchqueren müssen, um den libyschen Sicherheitskräften auszuweichen. In den Schweizer Alpen war er einmal beinahe erfroren, und in Afghanistan war er so schwer an der Ruhr erkrankt, dass er in einer Woche acht Kilo verlor, während er in einer düsteren Wohnung zusammengekrümmt am Boden lag.
    Als er jetzt durch die staubige Altstadt von Mosul fuhr, kam Rapp zu dem Schluss, dass er irgendeinen dieser anderen Orte vorgezogen hätte. Die Stadt mit ihren knapp zwei Millionen Einwohnern vermittelte ihm auf schmerzliche Weise einen Eindruck davon, wie zerrissen dieser Teil der Welt noch immer war. Am Abend zuvor hatte Ridley den Stützpunkt aufgesucht, um eine sichere Verbindung mit Langley zu bekommen und Kennedys Ankunft vorzubereiten, während Rapp und Stilwell das Safe House sowie die Umgebung untersuchten, wo Kennedy sich mit ihrem iranischen Amtskollegen treffen würde.
    Er und Stilwell waren zuerst auf der Ninawa-Straße bis zum Tigris gegangen, und dann südwärts bis zur Amir-Zayo-Straße, wo sich das sichere Haus befand. Vier Leibwächter begleiteten sie in einer Entfernung von bis zu einem Block, zwei vor und zwei hinter ihnen. Die Erkundung der Umgebung dauerte eine Stunde. Rapp sah zwar keine Gewaltakte, doch die Spuren der Gewalt waren allgegenwärtig; da waren Gebäude mit Rissen und Löchern, von Schüssen und Granatsplittern verursacht. Einige Häuser waren halb zerstört von Explosionen und Bränden. Die Polizeipräsenz rund um das Gerichtsgebäude war auffallend stark, auch jetzt am Abend, nachdem es längst geschlossen war. Die Hauptstraßen waren verstopft mit alten Autos japanischer Bauart und mit orange-weißen Taxis.
    Einmal sah er eine U.S.-Army-Kolonne von Stryker-Fahrzeugen vorbeirollen. Die achträdrigen gepanzerten Truppentransporter brachten den Verkehr zum Stillstand und ließen die Fensterscheiben in den Häusern erzittern. Rapp beobachtete, wie einige Leute stehen blieben und zusahen, während andere in irgendeiner Gasse oder einem Geschäftseingang verschwanden. Die Anspannung war deutlich zu spüren. Die Hälfte der Leute wollte die Armee der Besatzer weghaben, während sich die anderen wünschten, dass die fremden Truppen blieben und das Land vor einem Abgleiten in den Bürgerkrieg bewahrten. Diese spürbare Spannung erfüllte Rapp mit einer düsteren Vorahnung, so als braue sich ein Sturm zusammen,

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