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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Kategorie waren Menschen, die Informationen anboten und dafür ein neues Leben in Amerika oder Geld haben wollten. Sie waren insofern problematisch, als sie einem oft genau das erzählten, was man hören wollte. Die dritte und bei weitem heikelste Gruppe waren jene, die nach Rache strebten. Es handelte sich um Leute, die irgendeinen Streit mit einem Konkurrenten oder Partner hatten, vielleicht auch einen Konflikt mit einem Nachbarn, und die gegenüber der CIA wilde Anschuldigungen gegen ihre Feinde erhoben. Sehr oft war derjenige, der sich an die CIA wandte, in Wahrheit um nichts besser oder sogar noch viel schlimmer als derjenige, gegen den sich sein Zorn richtete. Stilwell hatte es aufgegeben, mit solchen Leuten zu reden.
    Das Riskanteste für Stilwell war, dass er für all diese Leute irgendwie erreichbar sein musste. Das machte ihn natürlich angreifbar, und in einer Stadt wie Mosul mit ihren vielen verschiedenen Gruppierungen war ohnehin jeder Amerikaner, insbesondere ein CIA-Agent, eine willkommene Zielscheibe. Stillwell betrieb einen großen Aufwand, um sich zu schützen. Er schlief nie zwei Nächte hintereinander im selben Haus, er wechselte häufig das Auto, und er trat als rangniedriger CIA-Mitarbeiter auf, der kaum etwas zu sagen hatte. Er hatte sich eine fiktive Chefin namens ›Lady Di‹ geschaffen, die in Wirklichkeit mehr Ähnlichkeit mit Margaret Thatcher hatte als mit der verstorbenen englischen Prinzessin. Sie traf alle Entscheidungen und verfügte über die ganze Macht. Stilwell war bloß ein Handlanger. Seine Treffen fanden für gewöhnlich in einem der vielen Internet-Cafés oder auf einem der Freiluftmärkte statt. Er hatte ein halbes Dutzend kurdische Bodyguards, allesamt erfahrene Kämpfer, die eine extreme Loyalität gegenüber der CIA zeigten.
    Der Wagen rollte an eine Kreuzung und hielt vor der roten Ampel an. Sie waren Richtung Süden unterwegs, um Irene Kennedy und ihr Gefolge am Flughafen abzuholen. Das allmorgendliche geschäftige Treiben setzte ein; die ersten Straßenverkäufer stellten ihre Stände auf, und auch der Verkehr nahm zu. Rapp sah, dass Stilwell links und rechts blickte, um bei Rot über die Kreuzung zu fahren, als plötzlich eine Frau, völlig verhüllt mit einem schwarzen Gesichtsschleier, dem Niqab, mit zwei Kindern an den Händen auf die Straße trat. Der kleine Junge trug Jeans und Sweater und das Mädchen den Hijab, das moslemische Kopftuch. Die Mutter blickte durch den Schlitz in der Kopfbedeckung geradeaus. Der ungefähr fünfjährige Junge und seine etwas ältere Schwester sahen Rapp an und lächelten. Rapp lächelte ebenfalls, winkte ihnen zu und sprach ein stilles Gebet, dass die Kinder den Tag überleben würden, ohne verstümmelt oder getötet zu werden. Es zerriss einem das Herz, wenn man sah, wie wenig Achtung vor dem Leben die Aufständischen zeigten.
    Bei einer Sitzung, die Rapp vor nicht allzu langer Zeit bei einem Psychiater hatte, wurde er gefragt, ob er denke, dass ihm das Töten allzu leicht falle. Er hatte genug Gespräche dieser Art miterlebt, um zu wissen, dass diese Leute Dinge als Frage formulierten, die für sie Tatsachen waren. Rapp hatte ein grundsätzliches Problem damit, wenn irgendjemand seine Arbeit beurteilte, der keine Ahnung hatte, unter welchen Umständen er seinen Job machen musste. Ihm fehlte jedes Verständnis für Leute, die ihn von ihren bequemen klimatisierten Büros aus kritisierten, wo sie jederzeit eine Tasse Kaffee zur Hand hatten und sich nie mit der Sorge quälen mussten, ob sie die nächsten fünf Minuten überleben würden.
    Rapp würde das niemals gegenüber einem Psychiater zugeben, aber es gab nur wenig, was ihm eine solche Genugtuung bereitete, wie einen Mann zu jagen, der das Blut unschuldiger Menschen an seinen Händen kleben hatte, und ihm das Lebenslicht auszublasen. Er machte es stets so, wie es die Situation erforderte – manchmal mit einem Kopfschuss aus einigen Hundert Metern Entfernung, manchmal, indem er ein Ziel mit Laser markierte, damit ein amerikanischer Jet dem Kerl eine Fünfhundert-Pfund-Bombe auf den Kopf werfen konnte. Am liebsten aber machte er es aus nächster Nähe. Rapp sah ihnen gern in die Augen, wenn ihnen bewusst wurde, dass ihr armseliges Leben vor einem schmerzhaften Ende stand. Seine Opfer waren brutale Typen, die sich selbst für tapfer hielten, weil sie ein Auto mit Sprengstoff vollstopften und irgendeinen fehlgeleiteten Teenager mit vager Todessehnsucht überredeten, mit dem Auto

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