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Die Befreier von Canea

Die Befreier von Canea

Titel: Die Befreier von Canea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Ohr, als würde er gleich neben ihr entstehen.
    Im zarten Hauch des Windes knackten Äste. Schlafende Vögel regten sich, ihre Federn raschelten. Irgendetwas huschte durch die oberen Zweige eines Baumes, vermutlich ein Eichhörnchen, das früh in den Tag aufbrach, oder ein später Nachtnager auf dem Weg zurück ins Nest. Wieder ein Rascheln, vielleicht ein Hirsch im Unterholz …
    … oder vielleicht auch nicht.
    Amara lenkte Cirrus in Richtung zu dem Geräusch und hörte ein weiteres Rascheln – das von Stoff. Kein Hirsch, sondern ihr Ziel. Sie wandte sich in völliger Lautlosigkeit auf das Geräusch zu, bewegte sich dabei langsam und passte auf, dass sie weiterhin unsichtbar blieb. Die Beherrschung des elementargewirkten Stoffs zu lernen war leichter gewesen als erwartet, und bestimmt leichter, als dauerhaft einen windgewirkten Schleier einzusetzen. Dazu brauchte sie nämlich nur ihre Aufmerksamkeit auf die Farben der Umgebung zu richten und sie in sich aufnehmen. Das Tuch übernahm sie und ahmte sie dann nach, wodurch es mit dem Hintergrund verschmolz. Natürlich hatte die Entwicklerin des Stoffes, eine Tuchmacherin in Aquitania, beinahe einen Schreianfall bekommen, als sie erfuhr, wie ihre Schöpfung, dieses modische Prachtstück für Reiche, eingesetzt werden sollte.
    Bei dem Gedanken musste Amara lächeln. Aber nur ein ganz klein wenig.
    Sie konnte nichts sehen in der Richtung, aus der die Geräusche kamen, aber das spielte keine Rolle. Langsam zog sie, wie sie es so oft geübt hatte, den Bogen durch und schoss den Pfeil ab.
    Der Pfeil sauste davon, und in der leeren Luft erschien eine verschwommene Gestalt, die nach und nach das Aussehen ihres Gemahls annahm. Der stumpfe Holzpfeil war nicht gefährlich, aber trotzdem warf Bernard seinen eigenen farbwechselnden Mantel ab und rieb sich die Rippen. Amara zuckte vor Mitgefühl zusammen.
    »Autsch«, murmelte sie, öffnete ihren Mantel und zeigte sich. »Tut mir leid.«
    Er schaute sich kurz um, bis er sie entdeckte, und schüttelte den Kopf. »Aber nicht doch. Gut gemacht. Was hältst du von den Mänteln?«
    »Ich brauchte Cirrus nur, um deine Bewegungen zu verfolgen. Gesehen habe ich dich nicht, nicht einmal, als ich wusste, wo du steckst.«
    »Ich auch nicht, obwohl ich dich mit Erdkräften verfolgt habe. Ich würde mal sagen, die Mäntel sind gut«, sagte Bernard und grinste breit, trotz der Schmerzen. »Aquitanius Invidia mag für das Reich keine Krähenfeder übrig haben, aber ihr Sinn für Mode wird uns einen großen Dienst erweisen.«
    Amara lachte. »Als diese Näherin hörte, dass wir Mäntel aus den Kleidern genäht haben wollten, habe ich kurz befürchtet, ihr würde Schaum vor den Mund treten. Vor allem, weil einer davon für dich sein sollte.«
    Bernard kam leise durch das Unterholz. Wie immer schien er kaum einen Zweig oder ein Blatt zu berühren, seiner Größe zum Trotz. »Ich bin sicher, die richtige Summe aus Silber und Gold wird ihr Leiden lindern.«
    »Darum müssen sich Gaius’ Buchhalter kümmern«, sagte Amara. »Ich hatte eine Vollmacht mit dem Siegel der Krone. Sie brauchte daher nur zu beten, dass ich kein Betrüger bin, der sich mit Wasserkräften in die Gestalt von Calderonus Amara verwandelt hat.«
    Bernard hielt kurz inne und blinzelte. »Meine Güte.«
    Sie legte den Kopf schief. »Was denn?«
    »Das ist … der Name meines Hauses.«
    Amara zog die Nase kraus und lachte. »Nun ja, mein Gemahl. So scheint es. Deine Briefe unterzeichnest du schließlich mit Exzellenz Graf Calderonus Bernard, oder?«
    Er lächelte nicht. Stattdessen zog er ein nachdenkliches Gesicht. Und während sie nach der letzten Erprobung ihrer neuen Ausrüstung zurück ins Lager gingen, schwieg er und grübelte. Amara ging neben ihm und sagte nichts. Wenn Bernard einen Gedanken ausbrütete, nutzte es nichts, ihn unter Druck zu setzen. Manchmal brauchte ihr Mann eine Weile, bis er die Dinge in seinem Kopf in Worte gefasst hatte. Für gewöhnlich lohnte sich das Warten jedoch.
    »Es war immer meine Arbeit«, sagte Bernard schließlich. »Mein Rang. So wie schon in der Zeit als Wehrhöfer. Damit habe ich mein Geld verdient.«
    »Ja«, meinte Amara und nickte.
    Er deutete vage nach Nordosten in Richtung Riva und ihrer Heimat im Calderon-Tal. »Und es war ein Ort. Kaserna. Die Stadt, die Festung, die Menschen, die dort lebten. Die Schwierigkeiten, die man aus dem Weg räumen musste. Kannst du mir folgen?«
    »Ich denke schon.«
    »Calderonus Bernard war der

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