Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Befreier von Canea

Die Befreier von Canea

Titel: Die Befreier von Canea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
bedienen konnten, wozu waren sie dann noch imstande? Konnten sie Nachrichten abfangen, die über Wasserelementare durch die Flüsse des Reiches geschickt wurden? Konnten sie das Wetter beeinflussen? Konnten sie, verfluchte Krähen, den schlafenden Zorn eines der großen Elementare wecken, so wie Gaius es bei Kalus im vergangenen Jahr getan hatte?
    Amara starrte hinunter zu den fliehenden Wehrhöfern, zum Rauch und zu den kreisenden Krähen. In ihrem Herzen wurde es plötzlich zu einer absoluten Gewissheit.
    Alera würde den Schrecken nicht überleben, der auf das Reich zukam.
    Wenn sie früher gehandelt hätten, und zwar in Eintracht, anstatt sich gegenseitig zu bekriegen, hätte man es vielleicht schaffen können. Wenn mehr Menschen die Warnungen beherzigt und sie dabei unterstützt hätten, Wachposten aufzustellen, hätte man das alles vielleicht im Keim ersticken können.
    Stattdessen – plötzlich war es für Amara keine Befürchtung und keine Vermutung mehr, sondern unverrückbare Gewissheit – kamen sie zu spät.
    Die Vord waren da, und Alera würde fallen.
    »Was tun wir jetzt?«, flüsterte Amara.
    »Wir erledigen unseren Auftrag«, antwortete Bernard. »Wenn sie den Dammweg benutzen, haben sie ihre Wirker bei sich. Das sollte es uns erleichtern, sie ausfindig zu machen. Wir folgen einfach der Straße.«
    Amara wollte etwas erwidern, als ihr Pferd plötzlich die Ohren anlegte, mehrere Schritte zur Seite tänzelte und dabei aufgeregt wieherte. Amara konnte das Tier nur mit Mühe beruhigen. Sie hielt die Zügel straff und sprach leise auf das Pferd ein. Bernards Tier benahm sich ganz ähnlich, allerdings konnte er es wesentlich besser beruhigen. Eine Berührung mit der Hand, ein leichter Einsatz seiner Erdkräfte und ein sanftes Murmeln brachten es sofort zur Ruhe.
    Amara ließ den Blick schweifen und suchte nach dem, was die Pferde so sehr erschreckt hatte.
    Sie roch es, ehe sie es sehen konnte: Fäulnis und Verwesung. Kurz darauf wurde der Graslöwe im Schatten einer Gruppe knorriger Kiefern sichtbar.
    Das Tier war acht oder neun Fuß lang, und das goldene Fell war mit grünlichen Streifen durchsetzt, wodurch er sich im hohen Gras des Amaranth-Tals hervorragend tarnen konnte. Das mächtige Geschöpf war wesentlich kräftiger als eine gewöhnliche Hauskatze und hatte zwei Reißzähne, die wie Dolche aus dem Oberkiefer ragten und selbst noch bei geschlossenem Maul zu sehen waren.
    Besser gesagt: Das galt für lebende Graslöwen. Dieser Graslöwe jedoch hatte kein Maul mehr, das er hätte schließen können. Es war abgerissen oder abgebissen worden. Fliegen umschwärmten summend den Kopf. Teile des Fells hatten sich abgelöst, und darunter kam geschwollenes, faulendes Fleisch zum Vorschein, in dem sich die Maden von Fliegen oder anderen Insekten tummelten. Eines der Augen war trüb und weiß. Das andere saß gar nicht mehr in seiner Höhle. Aus Nasenlöchern und Ohren war eine dunkle Flüssigkeit geronnen und hatte auf dem feinen Fell Flecken hinterlassen.
    Trotzdem bewegte sich das Tier.
    »Besessen«, flüsterte Amara.
    Eine der heimtückischen Strategien der Vord bestand darin, kleine, huschende Wesen unter die Feinde zu schicken. Diese Fänger gruben sich in ihr Opfer, töteten es und übernahmen den Befehl über den Körper. So konnten sie einen Mann führen wie eine Marionette. Amara und Bernard hatten gezwungenermaßen Dutzende besessener Wehrhöfer vernichten müssen, als sie vor Jahren im Calderon-Tal gegen den ersten Ansturm der Vord gekämpft hatten, den sie gerade noch hatten aufhalten können, ehe die Vord sich zu stark vermehrt hatten. Die besessenen Wehrhöfer hatten nicht nur keinen Schmerz empfunden, sie bewegten sich auch ziemlich schnell und waren über alle Maßen stark; ansonsten legten sie jedoch keine nennenswerte Schlauheit an den Tag.
    Der Graslöwe blieb stehen und starrte sie einen Atemzug lang an. Und dann noch einen.
    Im nächsten Moment bewegte er sich mit einer Geschwindigkeit, wie sie eigentlich kein Lebewesen sollte erreichen können, drehte sich um und verschwand zwischen den Bäumen.
    »Ein Kundschafter!«, zischte Bernard und spornte sein Pferd an. »Wir müssen ihn abfangen.«
    Amara blinzelte eine Sekunde lang, schlug dann ihrem Tier mit den Zügeln auf den Hals und trieb es Bernard hinterher. »Warum?«, rief sie.
    »Wir haben eine Vord-Königin getötet«, rief Bernard zurück. »Mir wäre es lieber, wenn der Befehlshaber der feindlichen Truppen nicht erfährt, dass

Weitere Kostenlose Bücher