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Die Befreier von Canea

Die Befreier von Canea

Titel: Die Befreier von Canea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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denken, was geschehen würde, wenn diese Ramme mit vierhundert Pfund Gewicht faulenden Fleisches und harter Knochen in diesem Tempo in sie hineinpreschte. Sie legte den Pfeil auf, während der Löwe einen Schwarm Vögel aus dem Gras aufscheuchte, die wie in Zeitlupe voller Panik aufflatterten.
    Sie ging auf ein Knie, zog den Pfeil sorgsam nach hinten, hielt ihn, wartete, und nahm die Sätze des besessenen Löwen in sich auf, beobachtete die Bewegungen und lauerte auf den richtigen Augenblick.
    Zwanzig Schritt. Fünfzehn. Zehn.
    Als der Löwe nur noch zehn Fuß entfernt war, schoss sie den Pfeil ab und warf sich zur Seite.
    Der Schaft verschwand im Maul des Löwen, die breite Spitze bohrte sich tief in die Kehle.
    Die Vorderläufe erschlafften plötzlich, Schnauze und Nase gingen nach unten und krachten hart auf den Boden. Durch die Wucht der Bewegung pflügte das Tier eine Furche in den Boden. Rücken und Hinterläufe verdrehten sich, schossen weiter nach vorn und wurden ebenfalls auf die Erde geschmettert. Amara musste die Knie bis zur Brust hoch ziehen, sonst wären ihre Beine unter dem Gewicht des stürzenden Löwen zermalmt worden.
    Der Aufprall zerriss die Eingeweide des Graslöwen, und ein ungesunder Dunst wallte über Amara hinweg. Ihr drehte sich der Magen vor Ekel um, und sie krabbelte rasch weiter fort, um sich zu übergeben.
    Als sie einige Sekunden später zurückschaute, zuckte der Löwe noch, und sie hörte etwas … etwas, das dünne, pfeifende Schmerzlaute von sich gab. Der Vord-Fänger. Wenn einer von ihnen einen Körper eroberte, verbarg er sich für gewöhnlich im Schädel. Der Pfeil musste den Fänger verwundet haben.
    Die Arbeit war noch nicht erledigt. Der Graslöwe selbst hatte nie eine Gefahr dargestellt, sondern allein der Fänger. Er durfte auf gar keinen Fall zu den anderen Vord zurückkehren.
    Sie blickte sich um, bis sie einen Stein entdeckte, der ein wenig kleiner als ihr Kopf war. Den hob sie auf, wappnete sich gegen den Gestank und ging hinüber zu dem zuckenden Löwenleib. Sie hob den Stein und ließ ihn mit aller Kraft auf den Schädel niedergehen.
    Das Pfeifen hörte auf.
    Sie blickte sich um, als Bernard aus den Bäumen galoppiert kam und, den Bogen in der Hand, sein Pferd zum Halt brachte. Er starrte sie einen Moment lang an. Dann schob er den Bogen in den Halter am Sattel und ließ das Tier weiterlaufen. Ihr eigenes Pferd war den beiden gefolgt, nachdem sie es zurückgelassen hatte.
    Sie ging ihm entgegen; sie wollte unbedingt möglichst weit fort von dem Gestank.
    Er reichte ihr eine Flasche mit Wasser. Sie spuckte den ekligen Geschmack aus und trank.
    Nüchtern betrachtete er den Graslöwen. »Guter Schuss.«
    Von ihm war das kein achtlos dahingesagtes Lob. »Danke«, antwortete sie.
    Er schnalzte mit der Zunge, um ihr Pferd zu rufen, das fügsam zu ihm kam. Daraufhin reichte er Amara die Zügel. »Wir sollten lieber weiterziehen. Wo es einen Kundschafter gibt, stecken sicherlich weitere.«
    »Bernard«, sagte sie und starrte den Kadaver an. »Ich will nicht so enden. Ich will nicht, dass sie mich gegen mein eigenes Volk einsetzen. Falls es dazu kommt, wirst du es verhindern.«
    »Dazu kommt es nicht«, sagte Bernard.
    »Aber falls doch …«
    Sein Blick wurde hart. »Dazu kommt es nicht«, wiederholte er mit Entschiedenheit und warf ihr die Zügel zu. »Keine Zugeständnisse, Gräfin. Für niemanden. Die Vord eingeschlossen.«

14

    »Die Kunst der Diplomatie ist die Kunst der Zugeständnisse«, sagte Fürstin Placida ruhig, als sich die Windkutsche im Sinkflug zur Schildmauer befand. »Der Schlüssel liegt darin, die Zugeständnisse zu finden, mit denen alle Beteiligten zufrieden sind.«
    »Das würde voraussetzen, dass alle Beteiligten zu Zugeständnissen bereit sind«, erwiderte Isana. »Die Eismenschen liegen mit Alera seit Jahrhunderten im Krieg. Und nach all den Generationen, die Schlachten und Gefechte gegen die Stämme des Nordens ausgetragen haben, werden die Fürsten von Antillus oder Phrygia nicht besonders großzügig gestimmt sein.«
    Aria seufzte. »Ich wollte diesbezüglich keine Vermutungen äußern. Eigentlich hatte ich gehofft, es wäre dir noch nicht aufgefallen. Vielleicht könnte eine überzeugte Haltung die Meinungen der anderen aus dem Gleichgewicht bringen und so für Bewegung in der Sache sorgen.«
    Isana lächelte schwach. »Was kannst du mir über Antillus Raucus sagen?«
    »Er ist ein großer Kämpfer und möglicherweise der beste Stratege von

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