Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
nicht übel, aber in Anbetracht Ihrer körperlichen Verfassung könnte ich Ihnen beide Beine brechen, und Sie würden schneller bewusstlos auf dem Rücken liegen, als Sie piep sagen können.« Als seine Augenbrauen steil nach oben schnellten, nickte sie. »Ich habe den schwarzen Gürtel und zudem einen Waffenschein. Ich gehe nie ohne ein gutes Messer oder meine Pistole aus dem Haus.«
Sie lächelte rasch, nahm ihr Sandwich in die Hand und biss herzhaft hinein. »Also, was meinen Sie?«
Zehn
Schön, dass das hier kein Date war, dachte Mels, als das Schweigen einsetzte. Denn einem Mann mitzuteilen, dass man den Boden mit ihm aufwischen konnte, war weder ein guter Anfang noch Mittelteil oder Schluss eines gemeinsamen Essens.
Das hier war Arbeit. Klar, die Geschichte dieses Mannes würde höchstwahrscheinlich nicht auf der Titelseite der Zeitung landen, aber es war ein zu lösendes Rätsel, und so eine Gelegenheit ließ sie sich weiß Gott nicht entgehen.
»Ganz schöne Ansage«, meinte er nach einer Weile.
»Mein Vater hat dafür gesorgt, dass ich mich verteidigen kann. Er war Polizist, einer von der alten Schule.«
»Was heißt das?«
Sie wischte sich den Mund mit einer Papierserviette ab, nahm noch einen Schluck Kaffee und wünschte sich, sie hätte eine Cola bestellt. »Sagen wir es mal so … Heutzutage, mit Überwachungskameras in Streifenwagen und Internen Ermittlungskommissionen und Aktenordnern voller Verfahrensanweisungen hätte er keinen Monat durchgehalten, ehe man ihn suspendiert hätte. Aber zu seiner Zeit hat er seine Arbeit gemacht, und die Menschen in dieser Stadt lebten seinetwegen sicherer. Er hat Dinge erledigt.«
»Harter Bursche?«
»Fairer Bursche.«
»Und Sie sind einverstanden mit seinen Methoden?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich war einverstanden mit ihm. Seine Vorgehensweise dagegen … na ja, ich möchte es mal so formulieren: Es war eine andere Zeit. Vor DNS und Internet.«
»Klingt wie ein Mann nach meinem Geschmack.«
Mels musste lächeln. Dann allerdings lenkte die Trauer über den Verlust ihres Vaters ihren Blick auf den Fluss und die Möwen, die über die träge Strömung segelten. »Er war nie unkontrolliert oder grausam. Aber manchmal reagieren Kriminelle nur, wenn man ihnen etwas in ihrer eigenen Sprache erklärt.«
»Haben Sie Geschwister?«
»Nein. Dad war es egal, dass ich ein Mädchen war. Er hat mich behandelt wie einen Sohn, mich trainiert, mir Selbstverteidigung beigebracht, darauf bestanden, dass ich mit Schusswaffen umgehen kann.« Sie lachte. »Meine Mutter hat beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Kriegt sie heute noch manchmal.«
»Ist er jetzt in Pension?«
»Tot.« Sie wandte sich wieder ihrem Sandwich zu. »In Ausübung seiner Pflicht getötet worden.«
Es folgte eine Pause. Und dann sagte Matthias leise: »Das tut mir leid.«
Sie traute sich nicht, den Blick zu heben, denn sie hatte zu viel gesagt, und wegen der Sonnenbrille konnte sie nicht sehen, worauf seine Augen gerichtet waren – obwohl man kein Genie sein musste, um zu wissen, dass er sie ansah.
»Danke. Aber jetzt genug von mir – und Schluss mit diesem Ich-bin-zu-gefährlich-für-Sie-Mist. Ich passe jetzt schon lange auf mich selbst auf, und das sehr gut. Ich hätte Ihnen das Angebot nicht gemacht, wenn ich nicht der Ansicht wäre, dass ich mit Ihnen klarkomme.«
Er lachte laut auf. »Sie sind aber verdammt selbstsicher.«
»Ich weiß, wo meine Grenzen liegen.«
»Aber Sie kennen mich nicht. Keiner von uns beiden tut das.«
»Genau das wollen wir ja ändern, stimmt’s?«
Der Mann lehnte sich zurück. »Stimmt.«
Nachdem sie ihr Sandwich gegessen hatte – die restlichen Pommes ließ sie liegen –, zahlte sie und stand auf. »Dann wollen wir mal.«
Wieder spürte sie diesen Stich in ihrem Inneren, als sie seinen Blick auf sich wahrnahm, diese unerklärliche knisternde Anziehung, die sie erhitzte.
»Eins müssen Sie mir versprechen«, bat er ruhig.
»Hängt davon ab, was es ist.«
»Dass Sie keinerlei Risiko eingehen.«
»Abgemacht.«
Mit einem Nicken nahm er seinen Gehstock, schob die Beine seitlich unter dem Tisch heraus und hielt dann einen Moment inne, als wappnete er sich für eine Attacke. Ihr erster Impuls war, ihm aufzuhelfen, aber sie wusste, dass ihn das stören würde. Und ihn in seiner Gebrechlichkeit anzustarren war ebenfalls nicht respektvoll, also machte sie eine halbe Drehung und tat, als studiere sie die Tageskarte an der Wand über der Theke.
Ein Ächzen
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