Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
nicht. Es gab lediglich »im aktiven Dienst« und »tot.«
Und in diesem Fall war er für das »tot« zuständig.
»Es gelten die üblichen Regeln«, wurde ihm mitgeteilt.
Natürlich taten sie das: Er würde solo unterwegs sein, hatte die alleinige Verantwortung für den Auftrag, und sollte er auffliegen, betete er am besten dafür, dass er starb – oder sorgte selbst dafür. Das war dem kleinen Kader von Agenten wohl bekannt, alle handverlesen vom Teufel persönlich …
Matthias. Derjenige, der sie in den letzten zehn Jahren angeführt hatte. Der gerissene Schachspieler, das manipulative Superhirn, der brutale Soziopath, der für sie alle den Ton angegeben hatte.
Für einen kurzen Moment fühlte es sich merkwürdig an, Befehle von jemand anderem entgegenzunehmen – aber in Anbetracht der Zielperson …
Die X-Ops mussten weitermachen, und sein derzeitiger Vorgesetzter hatte sich sehr schnell hochgedient und als Thronfolger positioniert. Was auch erklärte, was er jetzt plante.
»Sonst noch etwas, das ich wissen sollte?«
»Versauen Sie es nicht. Sie haben vierundzwanzig Stunden.«
Der Agent streckte eine behandschuhte Hand aus und zog das Foto näher heran. Wenn jemand ihm vor zwei Jahren erzählt hätte, was sich alles verändern würde, wäre er fest davon überzeugt gewesen, dass derjenige den Verstand verloren hatte.
Und doch hielt er jetzt und hier das Bild dieses irrsinnig mächtigen Mannes in Händen, über den gerade das Todesurteil gesprochen worden war. Sollte es ihm nicht gelingen, sein Opfer zu töten, würde die Organisation einen anderen schicken. Und noch einen. Und noch einen. Bis die Sache erledigt war.
Und in Anbetracht der Zielperson könnten durchaus mehrere Versuche nötig sein.
Sein Vorgesetzter nahm das Foto wieder an sich und ging zu einer Tür, die lediglich normal aussah. In Wirklichkeit war sie kugelsicher, feuerfest und schalldicht. Genau wie Wände, Decke und Fußboden.
Nach einer Netzhauterkennung öffnete sich die Tür und schloss sich dann wieder. Der Agent blieb allein zurück, um sich seine weitere Vorgehensweise zu überlegen, was dem Standard entsprach: Sobald ein Auftrag erteilt worden war, lagen die Methoden ganz beim Ausführenden. Die Bosse interessierten sich nur für das Ergebnis.
Caldwell, New York war nur eine Flugstunde entfernt, aber es wäre besser, mit dem Auto zu fahren. Es war schwer einzu schätzen, über welche Ressourcen seine Zielperson verfügte, und der Flugverkehr war leichter zu überwachen als ein Wagen.
Als er schließlich ging, war der Umstand, dass er gut und gern seinem eigenen Tod entgegenstrebte, irrelevant – und das war ein Grund, warum er aus all den Soldaten und Zivilisten, die sich für die X-Ops »beworben« hatten, ausgewählt worden war. Über Jahre, nicht nur über Monate oder Wochen, wurde man psychologisch und physisch sorgfältig geprüft, ehe einem jemand auf die Schulter tippte. Der Job erforderte nun einmal eine ungewöhnliche Kombination aus Beharrlichkeit und Abgrenzung, aus Logikvermögen und unabhängigem Denken, aus geistiger und körperlicher Disziplin.
Und außerdem die Freude am Töten von Menschen.
Letzten Endes machte es ihm Spaß, den Sensenmann zu spielen, und das hier war der einzige legale Weg, es zu tun. Selbst der schlauste Serienmörder wurde irgendwann gefasst. Aber wenn man in dieser Profession für die amerikanische Regierung arbeitete, war die einzige Einschränkung der Erfolgsquote die eigene Fähigkeit, am Leben zu bleiben.
Zwölf
Matthias hatte Mels wegschicken müssen.
Er hatte keine andere Wahl gehabt. Als er dort auf dem Friedhof neben ihr stand, an Jim Herons Grab, war ihm völlig klar gewesen, dass sie beide durch Leben und Tod getrennt wurden – und dass sie diejenige auf der Seite des Lebens war.
Und dort sollte sie auch bleiben.
Nachdem sie eine Weile miteinander gestritten hatten, war sie gegangen, war mit einer raschen Effizienz abmarschiert, die ihm gefiel. Hinterher hatte er in etwa so lange an Herons letzter Ruhestätte ausgeharrt, wie sie seiner Schätzung nach brauchen würde, um zum Auto zurückzulaufen – und tatsächlich war, als er schließlich wieder am Haupttor ankam, der Toyota-Mülleimer weg.
Bezüglich des Taxis hatte sie recht gehabt, aber nicht allzu weit entfernt war eine Bushaltestelle gewesen, und auch wenn er ein Weilchen hatte warten müssen, schaffte er es doch letztendlich, zurück in die Innenstadt zu kommen.
Es war besser so. Lieber ein klarer Schnitt
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