Die Begnadigung
Stück vor. Es hatte funktioniert! Sein Vater hatte es tatsächlich geschafft.
Schnell gab er ein:
Marco: Unsere E-Mails können nur von uns gelesen werden. Du kannst alles schreiben, was du willst, aber es ist immer am besten, nur so wenig wie nötig zu sagen. Ich bin froh, dass du dort bist und nicht mehr in Rudley. Ich werde jeden Tag um diese Zeit online gehen – jetzt ist es genau 7.50 Uhr meiner Zeit. Ich muss los. Grinch
Er schob den Laptop auf den Beifahrersitz, ließ das Fenster herunter und zahlte fast vier Dollar für einen Becher Kaffee. Als er wegfuhr, warf er immer wieder einen Blick auf den Bildschirm des Computers, um herauszufinden, wie stark das Zugangssignal des Hotspots war. Er bog auf die Straße ab. Nach etwa siebzig Metern war das Signal weg.
Im November des letzten Jahres, kurz nach Arthur Morgans vernichtender Niederlage, hatte Teddy Maynard mit den Planungen für Backmans Straferlass begonnen. Mit der ihm eigenen Präzision bereitete er alles für den Tag vor, an dem diverse Maulwürfe Backmans Aufenthaltsort verraten sollten. Damit die Chinesen, denen er die Information ebenfalls zuspielen wollte, keinen Verdacht schöpften, suchte Maynard nach dem perfekten Verräter.
Sie hieß Helen Wang, war Amerikanerin chinesischer Abstammung in fünfter Generation und hatte acht Jahre lang als Analystin in der Asienabteilung der CIA gearbeitet. Sie war sehr klug, sehr hübsch und sprach leidlich Mandarin. Maynard sorgte dafür, dass sie vorübergehend ins Außenministerium versetzt wurde. Dort knüpfte sie Kontakte zu Diplomaten aus China, von denen einige selbst für Geheimdienste arbeiteten und häufig ihrerseits aktiv auf der Suche nach neuen Agenten waren.
Die Chinesen waren bekannt für ihre aggressive Vorgehensweise bei der Rekrutierung neuer Spione. Jedes Jahr schrieben sich fünfundzwanzigtausend junge Chinesen an amerikanischen Universitäten ein, und die Geheimpolizei spürte jeden Einzelnen von ihnen auf. Von chinesischen Geschäftsleuten wurde erwartet, dass sie bei der Rückkehr mit dem Geheimdienst zusammenarbeiteten. Tausende von amerikanischen Unternehmen, die in der Volksrepublik Geschäfte machten, waren unter ständiger Beobachtung. Die leitenden Angestellten dieser Firmen wurden vom Geheimdienst bespitzelt. Vielversprechende Kandidaten sprach man manchmal auch direkt an.
Als Helen Wang »zufällig« erwähnte, dass sie einige Jahre für die CIA gearbeitet habe und darauf hoffe, bald wieder eine Stelle dort zu bekommen, erregte das die Aufmerksamkeit von hochrangigen Mitarbeitern des Geheimdienstes in Peking. Sie nahm die Einladung eines neuen Bekannten zum Mittagessen in einem eleganten Washingtoner Restaurant an. Kurze Zeit später ließ sie sich von ihm zum Abendessen ausführen. Helen Wang spielte ihre Rolle glänzend und reagierte auf die Anwerbeversuche der Chinesen mit genau der richtigen Mischung aus zögerlicher Ablehnung und vager Zustimmung. Ihre detaillierten Berichte wurden Maynard nach jedem Treffen per Kurier gebracht.
Als Backman plötzlich freikam und klar wurde, dass man ihn irgendwo versteckte und er nicht so schnell wieder auftauchen würde, setzten die Chinesen Wang unter Druck. Sie boten ihr einhunderttausend Dollar für die Information über seinen Aufenthaltsort. Die Agentin gab vor, eingeschüchtert zu sein, und brach für einige Tage den Kontakt zu den Chinesen ab. Maynard reagierte sofort. Er machte die Versetzung ins Außenministerium rückgängig und holte Helen wieder nach Langley. Zwei Wochen lang hatte sie keinen Kontakt zu ihren neuen Freunden, die als verdeckte Spione in der chinesischen Botschaft arbeiteten.
Dann rief sie die Chinesen an. Das Angebot erhöhte sich auf fünfhunderttausend Dollar. Helen Wang wurde habgierig und verlangte eine Million Dollar, mit der Begründung, dass sie ihre Karriere und ihre Freiheit riskiere und dies ganz sicher mehr Geld wert sei. Die Chinesen waren einverstanden.
Am Tag nach der Entlassung Maynards meldete sie sich bei ihrem Kontaktmann und bat ihn um ein geheimes Treffen. Sie gab ihm ein Blatt Papier mit Angaben zu einem Bankkonto in Panama, das der CIA gehörte. Wenn das Geld auf dem Konto eingegangen sei, sagte sie, werde sie sich wieder mit ihm treffen und ihm den Aufenthaltsort von Joel Backman mitteilen. Außerdem bekomme er ein aktuelles Foto von Backman.
Die Übergabe erfolgte als so genannter »indirekter Kontakt« bei einem Treffen zwischen Maulwurf und Kontaktperson und lief so
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