Die Begnadigung
verwendet hatten; dass sie die dafür notwendige Technologie von den Amerikanern gestohlen hatten; dass es ihnen gelungen war, den Abschuss des Systems geheim zu halten und amerikanische, russische und israelische Satelliten zu täuschen; und dass sie es nicht geschafft hatten, das System neu zu programmieren, um die Software zu überschreiben, die »JAM« auf die Satelliten geladen hatte. Ohne »JAM« war »Neptun« nur ein Haufen Schrott, und die Chinesen würden die Große Mauer hergeben, wenn sie dafür die Software und Backman bekämen.
Amos und der Mossad glaubten ferner, dass Faruk Khan, das letzte überlebende Mitglied des Trios und Hauptentwickler der Software, vor acht Monaten von den Chinesen aufgespürt und liquidiert worden war. Der Mossad war ihm auf der Spur gewesen, als er plötzlich verschwand.
Außerdem vermuteten sie, dass die Amerikaner noch immer nicht genau wussten, wer »Neptun« gebaut hatte, was den amerikanischen Geheimdiensten ungeheuer peinlich war. Die Satelliten der Amerikaner hatten vierzig Jahre lang den Himmel beherrscht und waren so leistungsfähig, dass sie es fertig brachten, durch eine Wolkendecke hindurchzusehen, eine Maschinenpistole unter einem Zeltdach zu erkennen, die Banküberweisung eines Drogenhändlers abzufangen, ein Gespräch in einem Gebäude abzuhören und mit Infrarotbildtechnik Ölvorkommen in der Wüste zu finden. Sie waren um Längen besser als alles, was je von den Russen ins All geschossen worden war. Dass es jemandem gelingen würde, ohne Wissen der CIA und des Pentagons ein System mit ebenso guter oder besserer Technologie zu entwickeln, zu bauen, in eine Umlaufbahn zu bringen und dann auch noch in Betrieb zu nehmen, war für unmöglich gehalten worden.
Israelische Satelliten waren sehr gut, aber längst nicht so gut wie die der Amerikaner. Inzwischen war jedoch sämtlichen Geheimdiensten der Welt klar geworden, dass »Neptun« leistungsfähiger war als alles, was je die Startrampen der USA verlassen hatte.
Das waren jedoch alles nur Vermutungen; Beweise gab es kaum. Die einzige Kopie von »JAM« war verschwunden. Und die Entwickler der Software waren tot.
Amos beschäftigte sich seit fast sieben Jahren mit dem Fall und war froh, dass jetzt eine neue Kidon gebildet worden war und Operationspläne entwickelt wurden. Die Zeit drängte. Die Chinesen würden halb Italien in die Luft sprengen, wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass die Trümmer Backman unter sich begruben. Die Amerikaner würden vielleicht ebenfalls versuchen, sich Backman zu schnappen. Auf amerikanischem Boden stand er unter dem Schutz der Verfassung und konnte sich auf seine Rechte als Bürger berufen. Das Gesetz schrieb vor, dass man ihn anständig behandelte und in ein Gefängnis verfrachtete, wo er rund um die Uhr bewacht wurde. Aber auf der anderen Seite des Atlantiks war er Freiwild.
Kidon waren auch schon zur Liquidierung einiger außer Kontrolle geratenen Israelis verwendet worden, aber diese Einsätze hatten nie auf heimischem Boden stattgefunden. Die Amerikaner hielten es genauso.
Neal Backman verwahrte seinen neuen, ultraflachen Laptop in dem alten, abgenutzten Aktenkoffer, den er jeden Abend mit nach Hause nahm. Lisa hatte den neuen Computer noch nicht bemerkt, weil er ihn nie herausnahm. Der Aktenkoffer blieb zu und war nie mehr als einen oder zwei Meter von ihm entfernt.
Außerdem hatte er sich eine Kundenkarte von Jerry’s Java gekauft, einer neu eröffneten Cafékette, die ihren Kunden neben Donuts und ausgefallenen Kaffeesorten auch kostenlose Zeitungen und Zeitschriften sowie einen drahtlosen Internetzugang bot. Das Franchiseunternehmen hatte das leer stehende Gebäude einer Fastfoodkette am Stadtrand übernommen und mit einer unkonventionellen Einrichtung aufgepeppt. Seit der Eröffnung vor zwei Monaten boomte das Geschäft.
In der Fahrspur des Drive-in standen drei Autos vor ihm. Der Laptop lag auf seinen Knien, direkt unter dem Lenkrad. Am Fenster bestellte er einen doppelten Caffè Mocha ohne Schlagsahne, und während er darauf wartete, dass die Autos vor ihm anfuhren, tippte er mit beiden Händen auf der Tastatur. Als er online war, rief er die Website von KwyteMail auf. Er gab seinen Benutzernamen ein – »Grinch123« –, dann seinen Passsatz – »post hoc ergo propter hoc«. Sekunden später wurde die erste Nachricht seines Vaters auf dem Bildschirm angezeigt.
Neal stockte der Atem, während er las. Dann nahm er den Fuß von der Bremse und fuhr ein
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