Die Begnadigung
draußen vorbei.
Joel bestellte ein weiteres Bier.
7
D an Sandberg, ein altgedienter Journalist der Washington Post, hatte die Affäre Backman publizistisch kontinuierlich begleitet. Im Jahr 1998 hatte er über gewisse geheime Papiere berichtet, die ohne Genehmigung das Pentagon verlassen hatten. Die folgende Untersuchung des FBI hielt ihn ein halbes Jahr lang in Atem. In dieser Zeit veröffentlichte er achtzehn Artikel, die meisten auf der Titelseite. Er konnte auf verlässliche Kontaktpersonen von CIA und FBI zurückgreifen, er kannte die Partner von Backman, Pratt & Bolling und war in ihren Büros kein Fremder. Er setzte das Justizministerium unter Druck, um an Informationen heranzukommen, und er saß im Gerichtssaal, als Backman sich schuldig bekannte und abgeführt wurde.
Ein Jahr später hatte er eines von zwei Büchern über den Skandal veröffentlicht. Sandberg verkaufte vierundzwanzigtausend Exemplare im Hardcover, der andere Autor etwa die Hälfte.
Während dieser Zeit hatte Sandberg wichtige Kontakte geknüpft, und speziell einer entwickelte sich wider Erwarten zu einer wertvollen Informationsquelle. Einen Monat vor Jacy Hubbards Tod hatte Carl Pratt, der damals wie die meisten wichtigen Partner der Kanzlei unter Anklage stand, Kontakt zu Sandberg aufgenommen und ein Treffen mit ihm vereinbart. Im weiteren Verlauf der Affäre sahen sie sich über ein Dutzend Mal, und während der folgenden Jahre wurden sie Trinkkumpane, die sich mindestens zweimal im Jahr trafen, um bei einem Glas miteinander zu plaudern.
Drei Tage nach der Nachricht von Backmans Begnadigung rief Sandberg Pratt an und verabredete sich mit ihm in ihrem Lieblingslokal, einer Studentenkneipe in der Nähe der Georgetown-Universität.
Pratt sah fürchterlich aus, ganz so, als hätte er tagelang getrunken. Er bestellte einen Wodka, Sandberg blieb bei Bier.
»Also, wo ist unser Freund?«, fragte Sandberg grinsend.
»Auf jeden Fall nicht mehr im Knast, so viel ist sicher.«
Pratt trank einen mörderischen Schluck Wodka und leckte sich anschließend die Lippen.
»Keine Nachricht von ihm?«
»Nein. Er hat sich weder bei mir noch bei jemand anders aus der Kanzlei gemeldet.«
»Wären Sie überrascht, wenn er anrufen oder vorbeikommen würde?«
»Ja und nein. Bei Backman überrascht mich gar nichts.«
Ein weiterer Schluck Wodka. »Wenn er sich nie wieder in Washington blicken ließe, wäre ich nicht verwundert. Wenn er morgen hier auftauchen und die Eröffnung einer neuen Kanzlei ankündigen würde, auch nicht.«
»Die Begnadigung hat Sie überrascht.«
»Ja, aber die hat nicht Backman initiiert.«
»Das bezweifle ich.« Sandberg blickte einer vorbeikommenden Studentin nach. Er war zweimal geschieden und ständig auf der Jagd. »Er kann doch nicht mehr als Rechtsanwalt arbeiten, oder?«, fragte er nach einem Schluck Bier. »Ich dachte, die haben seine Lizenz kassiert.«
»Das wäre für Backman kein Hindernis. Er würde es ›Consulting‹ oder ›Lobbyismus‹ nennen, was ohnehin seine Spezialität ist, und dafür braucht man keine Lizenz. Teufel, die Hälfte der Anwälte in dieser Stadt weiß nicht mal, wo das nächste Gericht ist. Capitol Hill finden sie dagegen blind.«
»Wie sähe es mit Mandanten aus?«
»Es wird nicht so weit kommen. Backman wird nicht nach Washington zurückkehren. Oder ist Ihnen etwas anderes zu Ohren gekommen?«
»Ich habe nichts gehört. Er hat sich in Luft aufgelöst. Im Gefängnis sagt niemand was, man bekommt aus keinem ein Wort heraus.«
»Haben Sie eine Theorie?«, fragte Pratt. Er leerte sein Glas, wirkte aber nicht so, als wollte er es dabei bewenden lassen.
»Ich habe heute herausgefunden, dass Teddy Maynard am 19. Januar spätabends im Weißen Haus war. Nur jemand wie er hätte die Begnadigung bei Morgan durchsetzen können. Backman wurde entlassen, wahrscheinlich mit Geleitschutz, und anschließend nicht mehr gesehen.«
»Zeugenschutzprogramm?«
»Etwas in der Art. Es wäre nicht das erste Mal, dass die CIA Leute versteckt. Ab und zu bleibt ihnen keine andere Wahl. Solche Aktionen laufen inoffiziell, und sie haben die erforderlichen Möglichkeiten.«
»Warum sollten sie Backman verstecken?«
»Rache. Erinnern Sie sich an Aldrich Ames, den größten Maulwurf in der Geschichte der CIA?«
»Natürlich.«
»Er sitzt jetzt wohlbehütet in einem Staatsgefängnis. Die CIA würde ihn sich gern mal vorknöpfen, doch damit würde sie gegen das Gesetz verstoßen – sie darf keine amerikanischen
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