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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sie alte Freunde. Luigi ließ ein paar Namen fallen, die Franco wohlwollend zur Kenntnis nahm.
    Sie bekamen einen Tisch in der Nähe des Fensters.
    »Unser bester Tisch«, rief Franco überschwänglich. Marco sah sich um und konnte keinen einzigen schlechten Tisch entdecken.
    »Unsere Antipasti sind hervorragend«, sagte Franco bescheiden, als würde er nicht gern mit seinem Essen prahlen. »Meine Empfehlung für heute wäre aber der Salat aus hauchdünn geschnittenen Pilzen. Lino gibt ein paar Trüffeln hinzu, eine Winzigkeit Parmesan, ein paar Apfelscheibchen …« Francos Worte verloren sich, während er seine Fingerspitzen küsste. »Köstlich«, presste er mit geschlossenen Augen heraus.
    Sie bestellten den Salat, und Franco ging, um die nächsten Gäste zu begrüßen. »Wer ist Lino?«, erkundigte sich Marco.
    »Sein Bruder, der Koch.« Luigi tunkte ein Stück toskanisches Brot in eine Schale mit Olivenöl. Ein Kellner kam an ihren Tisch und fragte, ob sie Wein trinken wollten. »Selbstverständlich«, erwiderte Luigi. »Ich hätte gern einen Roten aus der Gegend hier.«
    Die sonst übliche Diskussion über den Wein wurde bereits im Keim erstickt. Der Kellner deutete mit einem Kugelschreiber auf die Weinkarte und sagte: »Dieser hier, ein Liano aus Imola. Er ist fantastisch.« Geräuschvoll sog er die Luft ein, um seiner Meinung Nachdruck zu verleihen. Luigi hatte keine Wahl. »Wir nehmen ihn.«
    »Wir hatten gerade von Francesca gesprochen«, sagte Marco. »Sie scheint mit ihren Gedanken immer woanders zu sein. Was ist mit ihr los?«
    Luigi tunkte wieder ein Stück Brot in das Olivenöl und kaute darauf herum, während er überlegte, wie viel er Marco erzählen konnte. »Ihrem Mann geht es nicht sehr gut«, sagte er schließlich.
    »Hat sie Kinder?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Was ist denn mit ihrem Mann?«
    »Er ist sehr krank. Ich glaube, er ist um einiges älter als sie. Aber ich kenne ihn nicht.«
    Signor Rossi kam zurück, um ihnen die Speisekarte zu erläutern, was im Grunde genommen nicht notwendig war. Er erklärte, dass die Tortellini die besten in ganz Bologna und heute besonders gut gelungen seien. Lino komme gern aus der Küche, um ihnen das zu bestätigen. Nach den Tortellini sei das Kalbsfilet mit Trüffeln eine ausgezeichnete Wahl.
    Mehr als zwei Stunden lang folgten sie Francos Empfehlungen. Nachdem sie das Restaurant verlassen hatten, schoben sie ihre schweren Bäuche über die Via dell’Indipendenza zurück und besprachen ihre Pläne für die Siesta.
     
    Marco begegnete Francesca zufällig auf der Piazza Maggiore. Er trank gerade einen Espresso an einem Tisch im Freien, wo er nach einem strammen, halbstündigen Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein der Kälte trotzte, als er eine kleine Gruppe weißhaariger Senioren aus dem Palazzo Comunale, dem Rathaus der Stadt, kommen sah. Ihnen voraus ging eine vertraute Gestalt, eine schlanke, zierliche Frau mit durchgedrücktem Rücken, auf deren dunklem Haar eine burgunderfarbene Baskenmütze saß. Marco legte einen Euro auf den Tisch und ging auf sie zu. An der Fontana del Nettuno schlich er sich hinter die Gruppe, die aus zehn Personen bestand, und hörte Francesca bei der Arbeit zu. Sie erklärte gerade, dass die riesige Bronzestatue des römischen Meeresgottes Neptun von einem Franzosen angefertigt worden sei, der drei Jahre dafür gebraucht habe, von 1563 bis 1566. Das Kunstwerk war von einem Bischof in Auftrag gegeben worden, aus Anlass einer Aktion zur Verschönerung der Stadt, mit der er dem Papst eine Freude machen wollte. Der Legende nach kamen dem Franzosen noch vor Beginn der eigentlichen Arbeit Bedenken wegen der freizügigen Darstellung des Gottes – Neptun ist splitternackt –, sodass er den Entwurf nach Rom zur Genehmigung schickte. Der Papst schrieb zurück: »Für Bologna geht es in Ordnung.«
    Vor den Touristen wirkte Francesca etwas lebendiger als beim Unterricht mit Marco. Ihre Stimme hatte mehr Kraft, und sie lächelte bereitwilliger. Sie trug eine modische Sonnenbrille, die sie zehn Jahre jünger machte. Während er sich hinter den Australiern versteckte, sah und hörte er ihr zu, ohne von ihr bemerkt zu werden.
    Sie erklärte, dass die Fontana del Nettuno eines der Wahrzeichen der Stadt sei und zu den beliebtesten Fotomotiven gehöre. Wie auf Kommando wurden aus sämtlichen Taschen Fotoapparate hervorgezogen, und es dauerte geraume Zeit, bis sich jeder der Touristen vor der Statue in Position gestellt hatte und

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