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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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auf und ging hinein. Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte, warf er einen Blick auf die Bildschirme, die auf einem Campingtisch standen. Marco verließ wie gewöhnlich seine Wohnung. Um zehn Minuten nach sechs, was ebenfalls nichts Ungewöhnliches war. Eine schreckliche Angewohnheit. Diese verdammten Amerikaner.
    Luigi drückte auf einen Knopf und schaltete den Alarm am Bildschirm aus. Die Vorschriften sahen vor, dass er sich sofort anzog, die Wohnung verließ, Marco suchte und beobachtete, bis Ermanno Kontakt aufnahm. Aber er hatte allmählich genug von den Vorschriften. Außerdem wartete Simona auf ihn.
    Sie war noch keine zwanzig, Studentin aus Neapel und eine wahre Augenweide. Er hatte sie vor einer Woche in einer Diskothek kennen gelernt, in die er durch Zufall geraten war. Es war ihre erste gemeinsame Nacht gewesen und mit Sicherheit nicht ihre letzte. Sie schlief schon wieder, als er zurückkam und unter die Decke schlüpfte.
    Draußen war es kalt. Neben ihm lag Simona. Whitaker war in Mailand und vermutlich auch noch im Bett, zusammen mit einer Italienerin. Niemand überprüfte, was er, Luigi, heute machte. Marco trank sowieso nur Kaffee.
    Er zog Simona an sich und schlief wieder ein.
    Es war ein klarer, sonniger Tag Anfang März. Marco hatte gerade zwei Stunden Unterricht bei Ermanno hinter sich. Wie immer, wenn es das Wetter erlaubte, waren sie in Bolognas Stadtzentrum herumgelaufen und hatten nur italienisch gesprochen. Das Verb des Tages war fare gewesen, das »tun« oder »machen« bedeutete und – soweit Marco das beurteilen konnte – eines der wandlungsfähigsten und viel zu häufig gebrauchten Verben der italienischen Sprache war. »Einkaufen« war fare la spesa was man wörtlich als »die Ausgaben machen, die Anschaffungen tun« übersetzen konnte. »Eine Frage stellen« war fare una domanda, »eine Frage machen«.
    »Frühstücken« war fare colazione, »Frühstück machen«.
    Ermanno wollte etwas früher gehen als sonst und behauptete wieder einmal, etwas für sein Studium tun zu müssen. Wenn der Unterricht auf der Straße zu Ende war, pflegte fast immer Luigi aufzutauchen und Marco von Ermanno zu übernehmen, der dann mit bemerkenswerter Geschwindigkeit verschwand. Marco nahm an, dass ihm dieser nahtlose Wechsel das Gefühl geben sollte, ständig unter Beobachtung zu sein.
    Sie verabschiedeten sich mit einem kurzen Händedruck auf der Straße vor Feltrinelli, einer der vielen Buchhandlungen im Universitätsviertel. Gleich darauf kam Luigi um die Ecke und begrüßte ihn mit dem üblichen » Buongiorno. Pranziamo? « . Gehen wir Mittag essen?
    » Certo. «
    Sie aßen inzwischen nicht mehr so häufig zusammen, sodass Marco immer öfter die Gelegenheit bekam, sich allein mit der Speisekarte und der Bedienung herumzuschlagen.
    » Ho trovato un nuovo ristorante. « Ich habe ein neues Lokal entdeckt.
    » Andiamo! «
    Marco wusste nicht, was Luigi tagsüber zu tun hatte, aber er musste Stunden damit zubringen, die Stadt nach Cafés, Trattorien und Restaurants abzusuchen. Sie hatten noch nie zweimal im selben Lokal gegessen.
    Sie gingen durch ein paar enge Gassen und kamen zur Via dell’Indipendenza. Luigi bestritt den größten Teil ihrer Unterhaltung, immer in sehr langsamem, präzisem Italienisch. Was Marco anging, so hatte er vergessen, dass er Englisch sprach.
    »Francesca kann heute Nachmittag nicht kommen«, sagte Luigi.
    »Warum nicht?«
    »Sie hat eine Tour. Gestern kam ein Anruf von einer Reisegruppe aus Australien. In dieser Jahreszeit hat sie nicht viel zu tun. Mögen Sie sie?«
    »Muss ich das?«
    »Es wäre nett.«
    »Sie ist nicht gerade die Herzlichkeit in Person.«
    »Ist sie eine gute Lehrerin?«
    »Eine ausgezeichnete. Ihr perfektes Englisch sorgt dafür, dass ich mich noch mehr anstrenge.«
    »Sie hat gesagt, dass Sie sehr fleißig lernen und ein netter Mann sind.«
    »Sie mag mich?«
    »Ja. Als Schüler. Finden Sie sie attraktiv?«
    »Die meisten Italienerinnen sind attraktiv. Francesca auch.«
    Sie bogen in eine kleine Straße ein, die Via Gioto. Luigi deutete auf ein Gebäude vor ihnen. »Hier«, sagte er, während sie an der Tür zum Restaurant Franco Rossi stehen blieben. »Ich bin noch nie hier gewesen, aber es soll sehr gut sein.«
    Franco persönlich begrüßte sie mit einem breiten Lächeln und offenen Armen. Sein schicker dunkler Anzug bildete einen schönen Kontrast zu seinem dichten grauen Haar. Er nahm ihnen ihre Jacken ab und plauderte mit Luigi, als wären

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