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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gekommen wäre … Aber Ihre vier Betten, lieber Kollege … was wollen Sie da überhaupt machen?«
    »Die Zukunft gehört ohne Zweifel der Kombinationstherapie der Geschwülste, wie sie Karitzky, Pick und andere schon versuchten.«
    »Als Schlagwort hört sich das schön an.«
    »Was machen wir heute mit einem schwer Krebskranken? Wir greifen als letztes Mittel zu radikalen Operationen. Man geht nicht nur den lokalen Tumor an, wobei unter Umständen Teile der Leber, der Bauchspeicheldrüse, der Milz entfernt werden oder das Becken ausgeräumt wird … man geht weiter: Man macht eine Hypophysenausschaltung. Und man bestrahlt! Mit Radium, mit Röntgentiefenstrahlen, mit radioaktivem Kobalt.«
    »Und mit Erfolg, Kollege!«
    Hansen lächelte bitter: »Ein Beispiel nur: in der W. v. Massenbachschen Lübecker Frauenklinik wurden einhundertachtzehn Frauen mit gynäkologischem Krebs mit Radium und Röntgen bestrahlt. Nur zweiunddreißig Frauen zeigten keine negativen Bestrahlungsfolgen. Von den genetischen Schäden wollen wir ganz schweigen.«
    Oberarzt Dr. Färber trank mit kleinen Schlucken sein Glas leer. Über den Glasrand sah er Jens Hansen an. Forschend, abwägend, verblüfft fast. Er sah seinen schmalen Kopf mit den großen dunklen Augen, die eine Antwort forderten.
    »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als den Teufel mit Beelzebub auszutreiben.«
    »›Die Therapie soll bei keinem Leiden gefährlicher sein als die Krankheit‹, sagt Karitzky sehr richtig.«
    »Machen Sie es besser, Hansen«, sagte Dr. Färber etwas bitter. Dr. Hansen nickte.
    »Das will ich.«
    »Mit vier Betten?«
    »Wenn in diesen vier Betten nur einer gesund wird, können wir auf die Barrikaden gehen! Der Krebs ist nicht nur ein medizinisches Problem … er ist ein Problem der ganzen zivilisierten Menschheit. ›Therapie treiben heißt für den Ganzheitsarzt, die Lebensbedingungen verbessern‹, sagt Kötschau in seinen ›Wandlungen der Medizin‹.« In die Augen Dr. Hansens trat ein Glanz von Tatendrang und eisernem Willen. »Ich will in meinem Haus, mit vier Betten, den angeblich Unheilbaren das Leben zu geben versuchen, das sie brauchen, um den Tod in ihrem Körper zu überwinden. Gesunde Ernährung, gesundes Leben, Umstimmung des ganzen Körpers, Beseitigung aller Eiterherde, völlige Reinigung des Blutes …«
    »Und in einem Jahr sind Sie pleite und hängen sich am Dachbalken Ihrer Vierbetten-Krebskampf-Klinik auf! Lassen Sie doch den Unsinn, Hansen! Sie verrennen sich in Theorien und in den Schriften von Außenseitern, deren ›Erfolge‹ sehr umstritten sind.«
    »Warum sagen Sie Außenseiter?«
    »Weil sie außerhalb der Wissenschaft –«
    »Was ist Wissenschaft? Sollte Wissenschaft nicht das sein, was hilft? Auch wenn es kein Professor mit internationalem Namen verkündet hat? Haben wir am Beispiel Robert Kochs immer noch nicht gelernt?«
    »Sie schießen zu weit, lieber Hansen«, sagte Dr. Färber hart. »Noch einen Whisky?«
    »Danke. Lieber eine klare Antwort.«
    »Sie sollten wirklich mehr Whisky trinken.« Färber nahm seine randlose Brille ab und begann sie zu putzen.
    »Jährlich sterben in den Kliniken Tausende Patienten«, sagte Dr. Hansen. »Niemand spricht darüber. Sie sterben sozusagen ›auf wissenschaftlicher Basis‹. Stirbt aber einem ›Außenseiter‹ ein einziger Patient, so erhebt sich das große Geschrei von ›fahrlässiger Tötung‹. Wo ist hier die gepriesene Logik der Medizin?«
    Dr. Färber sprang aus seinem Liegestuhl auf. Das Whiskyglas klirrte auf die Steinplatten der Terrasse und zerschellte.
    »Glauben Sie nicht auch, daß Sie zu weit gehen, Herr Hansen?« rief Färber laut. Er rückte die Brille zurecht.
    Herta legte die Hand auf seinen Arm. »Reg dich nicht auf Hubert«, sagte sie leise. »Du bist müde und abgespannt. Du solltest dich ausruhen.« Sie sah Hansen an. »Mein Gott – gibt es denn unter Ärzten keine anderen Gesprächsthemen, als immer dieser Streit um neue Theorien?!«
    »Wenn Sie einer der hoffnungslosen Fälle wären, gnädige Frau, würden Sie anders fragen.« Dr. Hansen erhob sich.
    »Meine Mutter starb an Leberkrebs«, sagte Herta Färber steif.
    »Und haben Sie sich am Krankenbett oder vor dem Sarg nicht gefragt: War das nötig? Mußte sie sterben?«
    »Nein! Man muß sich mit den Tatsachen abfinden.«
    »Sehen Sie – und genau das tue ich nicht! Werde ich nie tun!« Dr. Hansen verbeugte sich vor Herta Färber und dem Kollegen von der Chirurgie. »Entschuldigen Sie, daß ich

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