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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verträgt sich das mit Ihrer Diagnose? Wenn Frau Wottke nicht intern behandelt wird, werden sich die ersten neuen Anzeichen in spätestens …«
    »Geben Sie mir bitte keinen medizinischen Nachhilfekurs, Herr Kollege.« Die Stimme Dr. Färbers wurde hart. Die Freundlichkeit fiel ab wie faule Tünche. »Wir werden der Frau die Zeit, die ihr noch bleibt, so angenehm wie möglich machen …«
    Oberarzt Dr. Färber hängte ein. Während Dr. Hansen noch immer nachdenklich den Hörer hochhielt, ging er bereits hinüber ins Ärztekasino. Er hatte es eilig. Der Oberarzt der Strahlenklinik war von einer Tagung in Paris zurückgekommen. Er sollte – wie man hörte – viele Erfahrungen mitgebracht haben.
    Das Sanatorium lag an einem Berghang, hatte eine wundervolle Sicht ins Tal, war eingerichtet wie ein Luxushotel. Sogar ein eigenes Kino hatte es, ein Schwimmbad, einen Golfplatz, eine Reitbahn mit Islandponies.
    Die kleine Frau Wottke kam sich vor, wie mitten in ein Märchen hineingesetzt. Die Gänseliesel auf dem Königsthron. Sie brauchte eine Woche, um sich wohlzufühlen. Alles war so wertvoll, so unwahrscheinlich reich, daß sie kaum wagte, etwas anzufassen, den wie einen Teppich gepflegten Rasen zu betreten oder gar in dem grün gekachelten Schwimmbad zu planschen.
    Sie schrieb begeisterte Briefe nach Hause. Wottke las sie – soweit sie die Allgemeinheit angingen – im Betrieb vor. Er war stolz. Seine jahrzehntelange Arbeit hatte sich gelohnt, die Schuldenfreiheit seines Hauses machte sich jetzt bezahlt, die Schwielen in seinen Handflächen hatten einen Sinn bekommen: Erna blieb ihm erhalten.
    Im Sanatorium wurde Erna Wottke von den Ärzten heimlich, aber genau beobachtet.
    Was Dr. Hansen befürchtet hatte, nämlich, daß man sie einfach wie einen Gast behandelte und keine therapeutischen Maßnahmen anwandte, traf nicht zu.
    Mit modernsten Mitteln versuchte man, Metastasen einzudämmen und der Bildung von Rezidiven vorzubeugen.
    Man gab ihr – ausgehend von der Entdeckung, daß alle Krebszellen in Gärung übergehen und Zucker zu Milchsäure spalten – fermentblockierende Präparate. Man machte Bluttransfusionen und Blutaustausche vor allem mit dem Blut gesunder, junger Männer.
    In der sechsten Woche aber beobachteten die Ärzte ein Nachlassen der körperlichen Aktivität.
    In der achten Woche bildeten sich an den Schnitträndern der Amputationswunde kleine Knoten, die schnell wuchsen. Es waren Rezidive. Erna Wottke wurde blaß, appetitlos, manchmal apathisch.
    Nur wenn sie allein war, stand sie aus dem Bett auf, rannte an den Spiegel über dem Waschbecken und betrachtete die neuen Knoten am Schnittrand.
    Dann stand heillose Angst in ihren großen, blauen Augen. Ein Nichtbegreifen und eine tiefe Traurigkeit.
    Für das Sanatorium, das von sich sagen konnte, daß es nur gesunde Menschen entließ, war Erna Wottke trotz der pünktlichen Zahlungen nicht mehr tragbar. Zwar hatte man die Entwicklung erwartet, aber nicht so spontan.
    Werkmeister Wottke erhielt ein Schreiben, er möchte seine Frau abholen. Oberarzt Dr. Färber würde ihn über alles unterrichten.
    Mit einem bohrenden Gefühl im Magen fuhr Franz Wottke in die Stadt zur Klinik.
    Abholen? Was soll das heißen, dachte er. Erna schrieb doch noch vorgestern: Mir geht es gut. Nur ein bißchen müde bin ich. Aber das macht der Föhn, sagen sie hier …
    Dr. Färber hatte keine Zeit, Franz Wottke zu empfangen. Er ließ sich entschuldigen und schickte einen jungen Assistenzarzt. Es war ein junger Mann, forsch und mit Psychologie nicht belastet.
    Er gab Franz Wottke die Hand und steckte sie dann in die Tasche seines weißen Kittels.
    »Herr Wottke? Der Herr Oberarzt schickt mich. Sie wollen wissen, was mit Ihrer Frau ist? Tja …« Er hob die schmalen Schultern. »Kopf hoch, Herr Wottke. Es ist alles getan worden – aber für Ihre Frau besteht kaum Hoffnung. Sie wissen ja – Krebs –«
    Vor dem weißen Kittel brach Werkmeister Wottke stumm zusammen.
    Der Umbau war vollendet.
    Vier Zimmer waren eingerichtet, ein Behandlungsraum, eine Diätküche, ein Laboratorium, eine kleine Röntgenstation für Kontrollaufnahmen. Das Bauernhaus war weiß verputzt worden. Es sah schmuck aus. Vertrauenerweckend.
    Über hunderttausend Mark hatte der Umbau gekostet.
    Aber die vier Betten standen leer.
    Zwei Krebsfälle aus seiner Praxis konnte selbst Hansen nicht mehr aufnehmen. Sie waren derart hoffnungslos, daß sie den Transport nicht mehr überstanden hätten. Die Kranken, eine

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