Die Begnadigung
unserer Diagnosen –, daß wir uns geirrt haben! Das angebliche Magenkarzinom muß ein gutartiger, entzündlicher Tumor werden! Dieses Material bringen wir als Antwort. Ich werde gleich mit der Schriftleitung sprechen.« Professor Runkel lächelte schwach. »Und einen gutartigen Tumor zu heilen – in einem Jahr! –, das ist ja wirklich keine Kunst, was, Herr Färber?«
»Nein, Herr Professor. Das ist keine Kunst.« Dr. Färber lächelte zurück. Das Ungeheuerliche, das man hier mit leichter Hand und souverän, gedeckt durch den internationalen Namen, vorbereitete, nahm ihm fast den Atem. Man hatte die Röntgenaufnahmen, man hatte den histologischen Befund aufgrund der Magenaushebung, das okkulte Blut im Stuhl, die Stenose …, und aus allen diesen Ca.-Beweisen sollte ein Beweis gegen das Karzinom werden …
»Kann ich das Material in zwei Stunden haben?« Runkel blätterte in einem Stapel Röntgenaufnahmen. Dr. Färber nickte.
»Ja, Herr Professor. Ich will das Beste versuchen.«
»Tun Sie das.« Er suchte nach einem Streichholz. Endlich fand er es und steckte sich seine verglimmende Zigarre neu an. Dr. Färber hätte ihm Feuer geben können. Er fühlte die Zündholzschachtel in der Tasche seines weißen Kittels. Aber plötzlich widerstrebte es ihm, dem berühmten Mann gegenüber höflich zu sein.
»Es wird Ihnen nicht schwerfallen«, sagte Runkel gemütlich. »Wo kämen wir hin, wenn wir solchen Unsinn wie die Hansensche Therapie dulden würden? Da schiebt man einen Riegel vor. Das einzig Unangenehme ist nur, daß dieser Svensson Däne ist. Ich habe so gar keinen Kontakt zu den dänischen Kollegen …«
Während der erste massive Schlag gegen Dr. Hansen in aller Stille vorbereitet wurde, lebte er mit Karin auf dem herrlichen Schloß Svenssons auf Seeland, in der Nähe von Nyköbing. Sie ritten die Küste entlang, besichtigten das große Gut, das Svensson erworben hatte, ließen sich die Werften zeigen und die Schiffe, die Svenssons Namen trugen. Sie machten eine Cocktailparty mit, die Björn zu Ehren Dr. Hansens der Kopenhagener Gesellschaft gab.
Die Party wurde zu einem Ereignis besonderer Art, das Svensson heimlich in einem Film festhalten ließ. Statt der alkoholischen Cocktails gab es bunte Getränke aus Frucht- und Gemüsesäften und Milchgetränke mit Sanddornextrakt. Wie nie in seinem Leben amüsierte sich Svensson über die in Höflichkeit erstarrten Gesichter seiner Gäste.
Unterdessen suchte ein Makler ein geeignetes Grundstück für den Bau der großen Krebsklinik. Dr. Hansen hatte ihn angewiesen, das Grundstück irgendwo in der Holsteinischen Seenplatte zu erwerben, bei Plön, Malente-Gremsmühlen oder Eutin.
»Reine Luft brauche ich. Reines Wasser. Einen weiten Himmel, Wälder und Felder, Weiden und vor allem Ruhe. Ruhe!«
Nach acht Tagen schrieb der Makler nach Dänemark. Das Grundstück sei gefunden. Fünfzehntausend Quadratmeter groß, am Plöner See liegend, Südlage. Ein herrlicher Fleck Erde. Nur der Preis –
Björn Svensson nahm Hansen den Brief aus der Hand und meldete ein Ferngespräch nach Plön an. Der Makler war elektrisiert, als er des Reeders Stimme hörte. Schließlich ist eine Provision von zwanzigtausend Mark kein alltägliches Einkommen.
»Kaufen Sie das Grundstück«, rief Svensson durch das Telefon. »Um jeden Preis! Kaufen! Wir kommen übermorgen zu Ihnen nach Plön –«
Hansen wandte sich nach Karin um, während Svensson telefonisch seine Anweisungen gab. Karin sah die Augen ihres Mannes vor Glück und Dankbarkeit aufleuchten, daß die eine große Schwierigkeit, ein geeignetes Grundstück für die Klinik zu finden, so schnell aus der Welt geschafft sein sollte. Aber sie konnte Hansens Freude nicht teilen. Was da mit Riesenschritten auf sie zukam, ängstigte sie maßlos. Sie drehte sich schnell um, rannte in ihr Zimmer, warf sich auf das Bett und begann laut und herzzerreißend zu weinen.
Die Rückkehr Dr. Hansens aus Kopenhagen war überschattet von dem ebenso massiven wie eleganten Angriff, den Professor Runkel als Antwort auf Hansens Krebstherapie in der Fachpresse veröffentlichte. Oberarzt Dr. Färber hatte sein Bestes getan – wie Runkel es nannte – um die Diagnose, die man Svensson gestellt hatte, abzuschwächen. Man sprach von verschleierten Röntgenbildern, von nicht histologisch bewiesener Diagnose, von ›Grenzfällen‹, wie sie sehr, sehr selten, aber eben doch einmal vorkommen.
Björn Svensson rief die Redaktion an. Er verlangte eine
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