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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frau. Einer Liebe, die so groß war, daß sie nur in ihm, Jens Hansen, allein die Erfüllung des Lebens sah und nicht gelten ließ, was dieser Liebe vielleicht eine Entsagung abforderte.
    »Jetzt verachtest du mich …«, sagte Karin leise hinter seinen Rücken. Ihre Stimme zitterte. Sie war lautlos aufgestanden und stand dicht hinter ihm, als er sich schnell herumdrehte.
    »Wie kannst du das glauben, Karin? Es gibt jetzt für dich das Kind. Nur das Kind! Und für das Kind willst du alle Sicherheit haben, die es auf der Welt gibt. Wer könnte es nicht verstehen …«
    »Es klingt nicht sehr teilnahmsvoll …«
    »Verzeih, Karin, aber … Wir werden ein Kind haben. Und wir werden es lieben wie alle Eltern ihre Kinder. Wir werden glücklich auf sein Jauchzen lauschen und ängstlich am Bett sitzen, wenn es krank sein wird. Wir werden nicht anders sein als Millionen andere Väter und Mütter. Und einmal wird das Kind groß sein … aber, Karin, soll damit unsere Lebensaufgabe wirklich erfüllt sein, daß wir ein Kind großgezogen haben? Müßten wir uns nicht immer und ewig vorwerfen, daß wir über dem gewiß Wichtigen, was wir getan haben, das Wichtigste versäumten? Jedem Menschen gibt Gott eine Idee mit auf die Welt, die er verwirklichen soll. Sie zu verwirklichen ist das wichtigste, und wenn es das momentane Glück kostet …«
    »Hör auf!« schrie Karin. Sie hielt sich die Ohren zu. »Ich kann den verstiegenen Unsinn nicht länger anhören. Was soll denn aus unserem Kind werden, wenn du mich noch länger quälst … Ich bitte dich, laß mich jetzt allein.« Sie wandte sich zitternd ab.
    In dieser Nacht begriff Hansen den Sinn seines Lebens. Vor Elmar Svensson, vor Professor Runkel, vor Dr. Färber, vor einer Welt von Feinden hätte er sich nie gebeugt … Karins Verzweiflung konnte er nichts entgegensetzen …
    Am nächsten Morgen rief er am Plöner See an. Der Bauleiter war am Apparat.
    »Stellen Sie die Arbeiten ein«, sagte er gepreßt. »Sofort einstellen. Ich … ich bin nicht mehr zahlungsfähig. Sagen Sie allen, daß ich ihnen herzlich danke. Herzlich …«
    Im November stand Hansen allein vor seiner Klinik, die nach dem Abzug der Handwerker völlig verlassen dalag. Nur zwei Invaliden aus der Nachbarschaft staksten abwechselnd um die Gebäude. Der Nordwind pfiff um die Ecken, fegte die Terrassen vom Schnee frei und häufte ihn im Eingang des Schwesternhauses. Dort fehlten noch die Fenster. Wie würde das Haus im Frühjahr aussehen.
    Hansen war heimlich nach Plön gefahren. Karin hatte sich erholt, nachdem ihr Jens versprochen hatte, den Plan seiner Krebsklinik aufzugeben. So bald wie möglich – hatte er ihr erzählt – wollte er den Bau verpachten. Eine Versicherung interessiere sich bereits dafür als Erholungsheim für Unfallverletzte.
    Es war ein zermürbendes Versteckspiel vor Karin. So wenig er mit ihr über die vergangenen Wochen sprach, so stetig wuchs in ihm die Verzweiflung, die ihn immer wieder hinaustrieb an den Plöner See. Dann wanderte er einsam durch die Flure seines Kliniktraumes, durch die Behandlungsräume, saß frierend, mit hochgeschlagenem Kragen, im OP, im Röntgensaal. Wie ein Gespenst geisterte er von Zimmer zu Zimmer. Fünfundsiebzig Hoffnungslose könnten hier Hoffnung haben, dachte er dumpf. Niemand ist einsamer als ein Mensch, der drauf und dran ist, von seiner Idee Abschied zu nehmen. Niemand war so einsam wie er, Jens Hansen …
    Als er die Klinik am See verließ und zurück zu seinem Wagen gehen wollte, sah er aus dem Eingang des Bettenhauses neben einem der Wachmänner eine dunkle, gedrungene Gestalt kommen.
    Hansen erkannte den Mann. »Wottke! Was machen Sie denn hier?«
    Werkmeister Franz Wottke trat unwillkürlich einen Schritt zurück und zog hastig den Hut. Sein Haar war eisgrau, sah Hansen. Der Körper, der einmal zwei Zentner wie mühelos stemmte, war gebeugt, die damals rosige, straffe Haut des runden Gesichtes war schlaff und kalkig. Damals – als seine Frau noch lebte. Heute war er nur mehr ein Schauen seiner selbst …
    »Herr Doktor!« Wottke drehte den Hut in den Händen. »Ich wollte einmal sehen, wie's wird … So lange schon wollte ich mal 'raus. Wann wird sie denn eröffnet, die Klinik …?«
    Hansen sah an Wottke vorbei. »Nie … Mir ist das Geld ausgegangen.«
    »Bei so 'nem Bau leiht Ihnen doch jeder Geld, Herr Doktor.«
    »Das habe ich auch gedacht.«
    »Ach so.« Wottke nickte mehrmals. »Verstehe. Ist eigentlich eine große Sauerei, was, Herr

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