Die Begnadigung
Eröffnung deiner ›See-Klinik‹ berichtet wird. Hör mal, einen besseren Namen hättest du wohl nicht finden können?! Was hältst du von: ›Krebs-Palast‹?!« Hugo Kieling lachte.
Hansen umklammerte den Telefonhörer. »Laß den Unsinn, Hugo. Ich will wissen, wie es Karin geht. Ich vermisse sie sehr …«
»Sie dich nicht. Leider! Sie hat sich im Kino großartig amüsiert.«
»Hugo … bitte …«
»Mein Gott, wie ernst du alles nimmst! Warte ab, mein Junge! Die Alternative, die dir Karin gestellt hat, hast du ja beantwortet. Du hast die Klinik gewählt. Eine theoretische Frage: Würdest du in eine Scheidung einwilligen, wenn Karin wirklich …«
»Aber das kann sie doch nicht!« Hansen stützte sich auf den Schreibtisch. »Sie kann mich doch nicht verlassen … Ich liebe sie doch … Sie muß doch einsehen, daß neben Karin und Jens Hansen auch noch andere Menschen auf der Welt leben … Sie kann mich doch nicht verlassen, weil ich helfen will!«
»Alles im Leben, auch die Liebe, ist eine Nervensache, mein Junge. Der eine hat die Nerven, der andere nicht. Warte also ab, was wird … Ich würde dir raten, gerade, weil du auch Chirurg warst, daß auch bei euch ein radikaler Schnitt am besten …«
Hansen legte den Hörer auf. Er wollte nicht weiterhören. Karin kam nicht … Karin ließ ihn allein. Jetzt, in dieser Stunde … Nur das begriff er, nichts weiter. Keine Argumente, keine Versuche, sie zu verstehen. Allein … das war ein Wort, das er Zeit seines Lebens immer gefürchtet, ja gehaßt hatte.
Mechanisch stellte er das Radio an. Tanzmusik. Sie wirkte wie Hohn. Hansen schaltete den Apparat sofort aus. Er ging zum Fenster, riß es auf. Mit dem eisigen Schneewind drang die leise Klaviermusik ins Zimmer. Ein Walzer, beschwingt, voller Lebensfreude … Da schloß er das Fenster wieder und lehnte sich an die Wand, ein Gefangener seiner riesigen Klinik.
Dreimal überhörte er das Klopfen an der Tür. Als Franz Wottke schließlich eintrat und sich räusperte, fuhr er erschrocken zusammen.
»Draußen ist eine Frau.« Wottke blieb in der Tür stehen. Er sah, daß er störte. »Eigentlich ist es schon mehr eine Dame …«
Hansen versuchte zu lächeln. »Wer ist es denn?«
»Sie wollte keinen Namen nennen. Aber sie will unbedingt zu Ihnen, Chef. Um diese Zeit …«
»Dann laß sie kommen. Vielleicht eine Kranke …«
»So sieht sie wieder nicht aus.« Wottke grinste. »Die fährt einen Sportwagen. Als junge Burschen haben wir bei so was immer durch die Zähne gepfiffen, Chef …«
Während Wottke die späte Besucherin aus dem Empfangszimmer holte, zog Dr. Hansen seine Jacke über. Dann ging er zum Fenster und zog die Vorhänge zu.
»Guten Abend, Herr Chefarzt!«
Langsam drehte sich Hansen herum. »Guten Abend«, sagte er gedehnt und war bemüht, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. »Was machen Sie denn in Plön?«
Herta Färber zog ihren Seehundmantel aus und warf ihn über die Lehne des Schreibtischsessels. Sie trug einen engen Rock und einen flauschigen Pullover.
»Ich habe mich einer Schulfreundin erinnert, die in Malente wohnt.« Herta Färber strich sich die Haare aus der Stirn. »Die gute Magda ist heute Lehrerin. War immer unsere Klassenbeste. Und da ich mich freute, Magda wiederzusehen, hat mir Oberarzt Färber Urlaub und sogar seinen Wagen gegeben, um nach Malente zu fahren. Wie finden Sie das?«
»Nobel. Ehemänner verleihen ungern ihre Wagen.«
Sie verschränkte die Arme. »Ist das draußen kalt! Haben Sie einen Whisky hier?«
»In unserer Klinik gibt es keinen Alkohol … außer für medizinische Zwecke.«
»Ist Unterkühlung kein medizinischer Fall?«
»Ich kann Ihnen einen Tee anbieten. Malventee, reich an Vitamin C!«
Herta Färber lächelte vielsagend. »Sie können ja sarkastisch sein, Herr Hansen! Welch ein Fortschritt! Gut, brauen Sie mir Ihren Malventee.«
Hansen ging hinaus, läutete nach Wottke und ließ ihn den Tee kochen. Bevor er in sein Zimmer zurückkehrte, blieb Hansen vor der Tür stehen. Was wollte Herta Färber? Um diese Zeit? In seiner Klinik? Hatte Färber sie reisen lassen, um auszuspionieren, wie weit er war? War Herta Färber der schöne, verführerische Späher eines zu allem entschlossenen Feindes?
Hansen mahnte sich zur Vorsicht.
Herta Färber saß auf der Couch, als Hansen mit dem Tee zurückkam, ihre langen schlanken Beine seitlich ins Licht der Stehlampe geschoben.
»Darf man rauchen, Herr Chefarzt?«
»Bitte. Sie sind nicht mein
Weitere Kostenlose Bücher