Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
nach, wie dieser mit schnellen, kleinen Schritten im Zimmer hin und her ging, und hatte das Gefühl, etwas sehr Gefährlichem gegenüberzusitzen.
    Schnell rekapitulierte er: Die letzten Operationen waren ohne Komplikationen … angetrunken war er auch nicht mehr zum Dienst gekommen … bei Professor Lücknath vom Strahlen-Institut hatte er sich formell entschuldigt … um so unbehaglicher war ihm zumute.
    Als Runkel sein Geplauder plötzlich unterbrach und vor ihm stehenblieb, zuckte Färber zusammen wie unter einem Schlag.
    »Ich habe Gelegenheit gehabt, mit Seiner Magnifizenz zu sprechen.« Runkel machte eine Kunstpause. Dabei sah er auf ein gerahmtes Dokument, das über seinem Schreibtisch hing. Sein Doktordiplom. Wie lange war das her? Achtunddreißig Jahre … In Marburg … Ein halbes Menschenleben.
    »Professor Verner geht nach Zürich«, fuhr er fort, »dadurch wird die Stelle eines außerordentlichen Professors für Chirurgie frei. Ich sähe es gern, wenn Sie unter meinem Dekanat …«
    »Ich?« Färber sprang auf. Fast hätte er die Kerze umgeworfen, er griff danach, das Wachs schwappte über und spritzte auf die gläserne Tischplatte und erstarrte zusehends. »Eine Professur … Ich … ich kann das nicht …«
    »Auf einmal? Warum denn?« Runkel steckte die Hände in die Taschen seines Jacketts. »Ich wüßte keinen Geeigneteren als Sie. Sie sollen meine Lehren weitertragen, vereinigt mit den modernen Ansichten. Allerdings …« Runkel räusperte sich und drehte sich von Färber weg … »Es ist da noch eine Klippe, Herr Färber! Nicht beruflich, nein … rein privat. Sie kennen die Moralgesetze unserer Universität. Ich muß Sie bitten, mit der Übernahme einer Professur auch Ihr Privatleben zu ordnen.«
    Färber sah auf die Kerzenflecke. »Sie denken an eine Scheidung, Herr Professor?« fragte er.
    »Wer sagt denn das? Ich dachte an eine Aussöhnung.«
    Färbers Kopf flog herum. »Das ist ausgeschlossen!«
    »Ausgeschlossen ist so etwas nie! Ein Ehebruch ist nichts Unheilbares! Wenn alles so leicht zu flicken ginge wie eine Ehe, wäre das Leben eines Chirurgen ein einziges Vergnügen. Hier geht es nicht um das Können, sondern allein nur um das Wollen … Und Sie müssen wollen, Herr Färber! Ich verspreche Ihnen: mit der Rückkehr Ihrer Gattin haben Sie die Professur in der Tasche!«
    »Ich kann meine Frau nicht zwingen! Oder soll ich mit Hansen um sie handeln?« Färber war blaß geworden. Er tat Runkel leid, wie er so dastand, groß, hager geworden, mit zerfurchtem Gesicht. »Sie können alles von mir verlangen, Herr Professor. Ich bin zu jeder Selbstaufgabe bereit … nur das bißchen männlichen Stolz behalte ich!«
    »Sie lieben Ihre Gattin doch noch …«
    »Darauf kommt es nicht an«, sagte Färber heiser.
    »Aber ja … nur darauf. Ich weiß, Sie sind ein Ehrenmann! Aber Sie sind ein bißchen zu steif, mein Lieber! Mit einer Stehkragenmoral kommt man heute nicht weiter. Muß ich alter Bursche Ihnen das sagen? Vielleicht wartet Ihre Gattin nur auf ein Zeichen … es ist keine Preisgabe des männlichen Selbstbewußtseins, wenn man vergeben und vergessen kann. Sie haben es ja noch nie versucht.«
    Färber senkte den Kopf. Er dachte an die Begegnung mit Herta in der Halle der ›See-Klinik‹. Wortlos war er an ihr vorbeigegangen. Damals. Und wie oft hatte er es seitdem bereut. Wie sehr, hatte er sich längst eingestehen müssen, fehlte sie ihm.
    »Sie wird nicht kommen!«
    »Können Sie mir verraten, woher Sie das wissen?«
    »Wenn Sie mich auslacht … Herr Professor …« Seine Augen wurden plötzlich starr, sein Atem flog. »Ich bin soweit, daß ich sie umbringe … Ich sage es Ihnen ohne Skrupel … Ich bringe sie um, wenn sie mich auslacht! Ich kann nach allem, was vorgefallen ist, nicht mehr für mich garantieren …«
    »Fahren Sie!« sagte Professor Runkel hart. »Fahren Sie zu ihr …«
    Der Zustand Marianne Pechls blieb unverändert. Sie tat ihren Dienst, fröhlich wie immer. Daß Dr. Hansen und Dr. Wüllner ihr die Arbeit so weit wie möglich erleichterten, indem sie die schwersten Fälle aus ihrer Station wegzogen und auf die Zimmer der anderen Assistenzärzte verlegten, geschah so geschickt, daß es ihr gar nicht auffiel. Erst als Hansen ihr verbot, nachts durch die Station zu gehen, mochte sie etwas ahnen.
    »Ich bin doch nicht mehr krank!« sagte sie entrüstet.
    Dr. Wüllner hatte wegen des noch fehlenden Heiratspapiers in die Ostzone geschrieben. Es ließ auf sich warten. Er hatte

Weitere Kostenlose Bücher