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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es schon zweimal angemahnt, ohne bis jetzt auch nur einen Vorbescheid in Händen zu haben.
    »Es ist furchtbar …«, sagte Wüllner zu Hansen und preßte die Lippen aufeinander. »Werden wir überhaupt noch Zeit haben zu heiraten?«
    »Ich habe alle Literatur, die es über Hirnhaut-Melanoblastome gibt, studiert.« Dr. Hansen wies auf einen Stapel Bücher und Zeitschriften, die sich an einer Ecke seines Tisches auftürmten. »Ich habe meine eigene Therapie überprüft, als wäre ich mein eigener Gegner.« Er legte Wüllner die Hand auf die Schulter. Aber es war eine Geste, als suche er selber Halt. »Wir müssen es Marianne bald sagen. Es geht nicht anders. Wollen Sie es tun?«
    »Nein! Nein … ich kann es nicht …«
    »Ich werde es ihr morgen sagen …«
    »Sie ist so fröhlich, so lebensfroh.« Wüllner bedeckte mit beiden Händen seine Augen. »Gestern hat sie die Wohnung im Arzthaus, die wir bekommen sollen, eingerichtet. Alle Zimmer hat sie aufgezeichnet und die Möbel hineingemalt. Sogar ein Kinderbett war dabei …« Er konnte nicht mehr weitersprechen.
    »Wüllner …«, sagte Hansen voll tiefsten Mitgefühls.
    »Kann man denn wirklich nicht mehr operieren?« rief Wüllner. »Es muß doch möglich sein, die Geschwulst elektrochirurgisch aus der Hirnhaut zu lösen.«
    »Theoretisch geht vieles, lieber Wüllner.« Hansen ging zum Lichtkasten und schob Mariannes Röntgenplatte vor die Mattscheibe. Da war der kleine tödliche Punkt. »Es sieht so einfach aus: Trepanation, Öffnen des Schädels, Exstirpation der Geschwulst … Aber denken Sie an die dogmatischen Worte Karl-Heinz Bauers, denen wir uns hier beugen müssen: ›Eine Operation ist nur dann angezeigt, wenn das Risiko kleiner ist als das Risiko des weiteren Krankheitsverlaufes ohne Operation.‹ Hier haben wir dieses Risiko! Eine Operation nützt nichts mehr!«
    »Und … und das wollen Sie Marianne sagen?«
    »Ja.«
    »So klar? So grausam?«
    »Es muß sein, Wüllner.«
    »Es wird alles nur beschleunigen …«
    Hansen schüttelte den Kopf. »Vielleicht kenne ich Marianne da besser als Sie. Sie wird die Zähne zusammenbeißen und kämpfen.«
    »Wogegen?«
    »Gegen die Hoffnungslosigkeit. Gegen das Grauen.« Leise fügte er hinzu: »Es ist schon viel gewonnen, wenn man gefaßt sterben kann …«

Die Arbeit von 20 Jahren und die dafür hinausgeworfenen Millionen haben die Krebsforschung auch nicht einen einzi gen Millimeter dem Ziele nähergebracht …
    (Prof. Dr. Murray, Präsident des britischen Krebsforschungsfonds)
    Mitten in den Proben starb der Patient, der die Rolle des Cäsaren übernommen hatte. Es kam ganz plötzlich. Seine Leber brach innerhalb von Stunden zusammen.
    Am nächsten Tag trafen die Angehörigen ein – seine Frau, sein Bruder, zwei Schwestern. Sie brachten einen Rechtsanwalt mit. Während die Hinterbliebenen in der kleinen Klinikkapelle weinend vor dem offenen Sarg standen, eröffnete der mitgebrachte Anwalt, daß die Familie Burscheidt die Bezahlung der Behandlungskosten verweigere.
    »Ich betrachte es als ungerechtfertigt, pro Tag sechzig Mark von einem Kranken zu verlangen, dem doch nicht mehr zu helfen ist!« sagte der Rechtsanwalt. Dabei legte er eine Aufstellung vor Dr. Hansen hin, bedeckt mit Zahlen. »Wir haben uns die Mühe gemacht, die Mahlzeiten durchzurechnen. Bitte, der Speisezettel von drei Wochen. Der Realwert der Rohkostplatten, der Getränke und anderen Gerichte liegt wesentlich unter dem allgemeinen Verpflegungssatz. Auch die medikamentöse Behandlung dürfte gering sein, da der Kranke ja als Unheilbarer nicht mehr zu behandeln war. Eine Berechnung der Kosten kann sich also nur auf Verpflegung und Wohnen und zusätzliche Betreuung durch Ihr Personal beschränken. Dafür aber täglich sechzig Mark zu zahlen, lehnen meine Mandanten ab …«
    Dr. Hansen sah den Anwalt an, als spräche er chinesisch. Zehn Meter weiter lag im offenen Sarg Burscheidt, dessen freier Wille es gewesen war, die letzten Monate seines Lebens hier in einer glücklichen Atmosphäre zu verbringen. Dessen letzter Satz, den er Dr. Pechl zugeflüstert hatte, lautete: »Ich danke Ihnen … für alles … für alles …« Und jetzt erschien ein Rechtsanwalt und focht die Kosten an, indem er den Realwert der Verpflegung berechnete und einem Arzt juristisch belegen wollte, daß Medikamente – auch wenn man sie gegeben hatte – sinnlos vergeudetes Geld gewesen seien.
    Der Anwalt sah Dr. Hansen hochmütig an. »Sie ziehen es vor, die Antwort schuldig

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