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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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»Ich meine den Jungen, den Penderecki damals entführt hat.«
     
    Benedicte lag mit brennenden Augen zusammengekrümmt vor dem Heizkörper. Sie hatte sich vorgenommen, zu kämpfen, ihre Familie zu retten. Stattdessen hatte sie nur den Kopf eingezogen und lag jetzt keuchend und weinend in der Dunkelheit – ein jämmerliches Häufchen Elend. Schämen solltest du dich – du feiges Miststück. Wenn sie sich auf den Rücken rollte, kam sie sich vor wie ein Insekt, das vor Schreck tot zu Boden gestürzt war. Einfach lächerlich .
    Ihr einziger klarer Gedanke war: Ja, er ist ein Monster. Josh hat Recht gehabt – ein Monster.
    Dicke rote Lippen, unbehaarte weiße Haut wie Schneewittchen. Sein schimmerndes dunkles Haar war so üppig, dass es fast unwirklich erschien – wie in einer Shampoo-Reklame. Seine Turnschuhe waren abgetragen und schmutzig, und die rote Adidas-Jogginghose war über und über bekleckert. Wahrscheinlich schauten aus diesen Hosenbeinen unten zwei gespaltene Hufe hervor. Und an den Händen trug er rosa Gummihandschuhe. Benedicte wusste genau, wann sie ihn schon einmal gesehen hatte – und zwar erst vor wenigen Tagen morgens in diesem Campingladen. Er hatte vielleicht eine Minute hinter ihr gestanden und ihr den Rücken zugekehrt, als ob er nicht gesehen werden wollte – das Gesicht unter einer Kapuze versteckt. Das Nächste, woran sie sich erinnern konnte, war, dass er draußen vor der Tür Smurfs Schwanz hochgehoben und ihr Hinterteil inspiziert hatte. Als sie so darüber nachdachte, war sie sich plötzlich ziemlich sicher, dass er sich vor Josh hatte verbergen wollen. Kannte Josh ihn vielleicht? Oder hatte sich dieses miese Schwein schon damals vor allem für Josh interessiert? Plötzlich blieb beinahe ihr Herz stehen. Diese Familie Peach – hatten diese Leute nicht ebenfalls vorgehabt, am folgenden Tag zu verreisen? Hatte der Kerl vielleicht gehört, wie sie dem Verkäufer von ihrem geplanten Cornwall-Urlaub erzählt hatte? Sie überlegte, was genau sie in dem Laden gesagt hatte. Irgendwas von einer langen Autofahrt, und – O, mein Gott, genau: Ganz sicher hatte er gehört, was sie gesagt hatte – dann hatte sie dem Mann sogar genau berichtet, wann sie nach Cornwall fahren wollten. Möglich, dass der Kerl ihnen anschließend gefolgt war und sie seither ständig beobachtet hatte. Und falls es sich wirklich so verhielt, war sie dann nicht selbst schuld an allem?
    Plötzlich hob Smurf, die neben ihr lag, den Kopf und fing an zu heulen, ein gequältes Winseln, das von unbeschreiblichen Schmerzen kündete.
    »Pssst …« Benedicte versuchte, die Hündin zu beruhigen, streichelte das Tier, versuchte, sie dazu zu bringen, ein paar Tropfen von dem Heizungsrohr zu lecken, doch Smurf wandte sich nur ab und legte den Kopf auf den Boden. Ben lehnte sich an die Heizung und fing an zu beten: Oh, Ayo – komm bitte, bitte früher als ausgemacht, und dann hol die Polizei – bitte.
    Caffery fuhr über die im Nachmittagslicht liegenden Landstra ßen dahin. In Suffolk hatte es geregnet, doch inzwischen schien wieder die Sonne durch die Zweige der beschnittenen Weiden und verwandelte den Asphalt in einen Fleckenteppich. Er fuhr durch Alleen, vorbei an Gestüten, durch Reihen von Ahornbäumen – und sah rechts und links immer wieder niedrige Schmuckwacholder auf perfekt gepflegten Rasenflächen. Seine Hände waren feucht. Rebecca hat völlig Recht – du bist so erpicht auf Ärger, dass du keine Chance auslässt. Am besten, du würdest dein Rückgrat gleich an der Garderobe abgeben, Jack? Tracey Lamb, dieser elende egozentrische Fettkloß, musste bloß die Hand hinter ihrem Rücken verstecken, ihm ins Auge blicken und sagen: »Rate mal, was ich hier habe«, und schon hatte sie ihn wie einen Fisch an der Angel. Die kleinste Chance, die geringste Wahrscheinlichkeit, dass sie ihm etwas über Ewan verraten konnte, und er setzte sofort alles aufs Spiel.
    Als er Bury St. Edmunds hinter sich gelassen hatte, beschlich ihn plötzlich das Gefühl, dass er verfolgt wurde. Im Rückspiegel blitzte ein Stück hinter ihm eine Windschutzscheibe im Sonnenlicht auf, ein glitzernder Kühlergrill, ein flaches rotes Auto – wie ein Sportwagen. Schon seit etlichen Kilometern hatte er den Wagen im Schlepptau. Er stellte den Spiegel ein, überlegte, ob er überwacht wurde. Aber wieso sollte jemand hinter mir her sein? Doch bevor er den Gedanken auch nur zu Ende gedacht hatte, war ihm plötzlich alles klar: Natürlich.
    Rebecca hatte

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