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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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ihn verpfiffen.
    Jesus, verdammte Scheiße, ja genau – Rebecca hat mich in die Pfanne gehauen. Es konnte gar nicht anders sein: Sie hatte den Kollegen verklickert, was er mit ihr und mit Malcolm Bliss angestellt hatte. Mit wild pochendem Herzen trat er plötzlich voll auf das Gaspedal, lehnte sich seitlich über den Beifahrersitz, öffnete das Handschuhfach und zog eine Straßenkarte heraus. Die Straße flog unter den Rädern des Jaguar nur so dahin, und der Tacho zeigte hundertdreißig, hundertvierzig Kilometer an. In einem Lehrgang in Hendon hatte man ihm beigebracht, wie man einen Verfolgter abhängen konnte, doch dazu bedurfte es natürlich entsprechender Ortskenntnisse. Also klappte er den Atlas auf dem Lenkrad auseinander, steuerte den Wagen mit den Knien und blätterte wie besessen die Seiten durch. Er fand eine Karte, auf der Thetford verzeichnet war, hielt den Finger auf die betreffende Stelle und sah in den Rückspiegel.
    Nein! Er ließ die Hand von der Karte gleiten. Er konnte es kaum glauben. Von dem Wagen hinter ihm war nichts mehr zu sehen. Er war allein auf der Straße.
    »Scheiße.« Er umklammerte wieder das Lenkrad und starrte in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht täuschte. Nichts. Nur die leere Straße. Er kramte sein Mobiltelefon aus der Tasche, blickte auf das Display, um sich zu überzeugen, dass er keine Nachricht erhalten hatte. Wenn etwas gegen ihn vorlag, hätte Souness ihm ganz sicher eine Warnung geschickt – davon war er fest überzeugt. Doch auf dem kleinen Bildschirm war kein Nachrichtensymbol zu sehen, und die Straße hinter ihm war völlig verlassen. Alles nur Einbildung – eine Wahnvorstellung. Wenn dir das noch immer nicht zu denken gibt …
    »Ja, genau.« Er warf das Handy auf den Beifahrersitz, schob den Autoatlas wieder in das Fach und ließ den Wagen ein paar Kilometer einfach so dahinrollen. Ich bin fix und fertig, sagte er sich, als er seine zitternden Hände betrachtete. Sobald er wieder in London war, würde er Souness und Paulina alles erzählen, da diese Lamb ihn ohnehin nur reinlegen wollte. Da brauchst du dir gar nichts vorzumachen.
    Immer wieder sagte er sich diesen Satz vor, während er nach Norfolk hineinfuhr – vorbei an verlassenen, mit Brettern zugenagelten Häusern, Müllhalden und verfallenen Gewächshäusern. Und als er schließlich vor Tracey Lamb stand, die die übliche Zigarette in der Hand hielt und in ihren fleischfarbenen Leggings, hochhackigen gelben Sandalen und einem Shania-Twain-T-Shirt auf den Stufen vor dem Hintereingang ihrer Bruchbude saß, hatte er sich zu dem Entschluss durchgerungen, sich ihre Lügen erst gar nicht anzuhören.
    »Tracey«, sagte er, »was wollen Sie?«
    Sie zog an der Zigarette, sah ihn durch den Rauch hindurch an und lächelte. »Wie wär’s mit’ner Tasse Tee?«
    »Nein, danke – wirklich nicht.«
    »Na gut.« Sie nickte. Sie hatte bereits beobachtet, wie er in seinem blütenweißen Hemd aus dem Wagen gestiegen war, und dann darauf gewartet, dass er von der Garage aus zu ihr herüberkam. Ja, sie hatte sich nicht getäuscht – das war von seinem Gesicht abzulesen. Als er näher kam und die Sonnenbrille abnahm, sah sie, dass er sich zweimal kurz prüfend umblickte. Und diese banale Kopfbewegung verriet ihr alles: Dürfte eigentlich gar nicht hier sein, der verdammte Bulle, und das weiß er ganz genau. Der dreht irgendein linkes Ding. Ja, den hab ich durchschaut, den leg ich aufs Kreuz. »Für wen arbeiten Sie eigentlich?«
    Er schob den Autoschlüssel in die Tasche und wies mit dem Kopf auf die Tür. »Können Sie vielleicht die Musik etwas leiser machen.«
    »Ich hab gefragt, für wen Sie arbeiten.«
    Er stöhnte. »Ich arbeite für alle, ich bin nämlich bei der Polizei. Hab ich Ihnen doch schon gesagt.«
    »Und wer interessiert sich dann so sehr für dieses Kind – Sie wissen schon, den Jungen, den Penderecki damals entführt hat?«
    »Nur ich selbst.«
    »Sie sind ein Lügner.« Wieder zog sie an der Zigarette und zeigte mit dem Finger auf ihn. »Solche Typen wie Sie kenne ich – ist für mich Kohle drin bei der Sache, richtig? Ich hab diesen Jungen zwar nicht gekannt, aber wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, dass jemand sehr dringend daran interessiert ist, zu erfahren, was aus dem Knaben geworden ist. Und wenn jemand so etwas unbedingt wissen will, dann ist er auch bereit, die nötige Kohle abzudrücken.« Sie wischte sich die Hände an ihren schmierigen Leggings ab, schob ihre

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