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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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und schweißte. »Der verlangt ja von mir noch nicht mal’ne Schutzmaske, wenn er einen Wagen umspritzt«, sagte Carl. »Ist ja viel zu doof, der Junge – völlig hinüber.« Also waren jene Jungs, an denen Carl kein sexuelles Interesse hatte, fortan überflüssig, und der Wohnwagen stand jetzt meistens leer.
    Und dann sprach Steven eines Tages völlig unerwartet Pendereckis Namen aus. Carl zuckte unwillkürlich zusammen. »Was hast du da gesagt?« Er sah ihn über die News of the World hinweg wütend an. »Sag das noch mal.«
    »AhhhBan.«
    »Was?« Carl sah seine Schwester an, die neben ihm stand und an ihren Fingernägeln herumkaute. »Was hat er gesagt?«
    »Weiß ich doch nicht.«
    »Iibaaan.«
    »Scheiße.« Carl knüllte die Zeitung zusammen und sprang auf. »Er hat Ivan gesagt. Hab ich Recht? Du hast Ivan gesagt?«
    »Unnnng.« Steven warf den Kopf zurück und machte sich mit den Händen an seinem Kinn zu schaffen. »Ung.«
    »Was soll das heißen – Ivan? Ist das sein richtiger Name?«, fragte Tracey.
    »Nein – das ist der Name von Penderecki – blöde Kuh.«
    »Uh-hh.« Steven warf den Kopf zurück und fuchtelte mit seiner verkrümmten Hand in der Luft herum. Seine Pupillen fingen an zu flackern, und er verdrehte die Augen, bis nur mehr das Weiße zu sehen war.
    »Sag das noch mal. Wer hat dir damals den Kopf zertrümmert?« Schweigen. »Los, sag schon, du dreckiger kleiner Scheißer. Wer hat dir die Birne kaputtgemacht? War es Penderecki?«
    Schweigen.
    »Los, sag schon – hat Penderecki dir die Birne kaputtgemacht?«
    Der Junge zuckte zusammen und verdrehte die Augen. »Ung.«
    »Wer?«
    »BBeMBe – rrrrr-kki…«
    »Genau.« Carl war völlig baff. »Und wer hat dir hinterher geholfen? Was? Wer hat dir später geholfen? Hab ich dir nicht immer geholfen? Hat Carl dir nicht geholfen?«
    »Ung – ung .« Steven warf den Kopf in den Nacken und verdrehte die Augen. Das hieß: Ja. Carl setzte sich auf das Sofa und hatte plötzlich eine Idee.
    »Dieser polnische Dreckskerl!« Er schlug sich mit der Faust in die Hand, und Tracey zuckte ein wenig zurück, weil sie nicht genau wusste, was als Nächstes folgen würde. »Jetzt hab ich ihn an den Eiern, den alten Sack.«
    Dann erklärte Carl ihr, dass Penderecki allmählich alt wurde, langsam austrocknete, kein Interesse mehr an kleinen Jungen hatte und schon völlig vergessen hatte, dass er überhaupt was zwischen den Beinen hatte. Deshalb brauchte er – Carl – dem alten Schwein bloß zu stecken, was wirklich aus dem Jungen geworden war, und dann würde Penderecki ihm aus der Hand fressen. Ja, das alles klang in Traceys Ohren ziemlich einleuchtend. Und dann konnte Carl in London übernachten, wann immer er gerade Bock darauf hatte, und er konnte sich außerdem Pendereckis Kontakte zu Nutze machen, und er hatte einen Platz, wo er seine Videosammlung verstecken konnte, »wenn es hier in der Garage mal zu heiß wird oder wenn ich mal irgendwohin muss. Mit seinem Leben wird mir der alte Sack für die Videos bürgen, falls er weiß, was gut für ihn ist.« Carl war inzwischen in Hochstimmung. »Aber du darfst auf keinen Fall jemandem sagen, wer Steven ist – kapiert? Sollte dieser Ivan aus irgendeinem Grund mal hier aufkreuzen, dann halt die Schnauze – und überlass mir das Reden.«
    Und so wurde Steven wieder in den Haushalt aufgenommen, und die Geschwister gewöhnten sich daran, dass er pausenlos von Zimmer zu Zimmer wanderte. Er hatte einen Lieblingshut – eine Strickmütze in den Farben von Manchester United, die er sich tief in die Stirn zog und »Bobah« nannte. Niemand wusste, warum. Wenn jemand ihm Bobah wegnahm, fing er an zu weinen. Falls Tracey mal wieder mies drauf war, versteckte sie die Mütze, bis der Junge, in Tränen aufgelöst, wimmernd am Boden lag. Doch er schien ihr nie etwas nachzutragen, ja, es sah ganz so aus, als ob er solche Vorfälle auf der Stelle wieder vergaß. Und so kam Tracey allmählich darauf, dass er fast alles vergessen hatte, was seit seiner Ankunft in Norfolk mit ihm passiert war. Das Einzige, was ihn interessierte, waren Schokolade und Karamellriegel, und allmählich wurde er immer fetter. Anfangs legte er eine abgöttische Liebe für Madonna an den Tag, später für Kylie Minogue und Britney Spears. Wenn Carl nicht da war, machte Tracey sich ein Vergnügen daraus, Steven zu quälen. Sie ließ ihn das ganze Haus putzen, während sie auf dem Sofa saß und sich die Zehennägel lackierte und er von Raum zu Raum ging und

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