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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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würde. Und trotzdem gelang es ihm nicht, jenen letzten Funken Hoffnung in seiner Brust zu unterdrücken.
     
    Tracey Lamb begriff instinktiv, was los war, als sie durch die Tür ins Haus trat. Zwar war niemand zu sehen, weil die verdammten Bullen natürlich clever genug gewesen waren, ihr Auto zu verstecken, trotzdem wusste sie Bescheid. Sie stellte den Eimer ab und drehte sich in Richtung Tür, um abzuschließen, als ein uniformierter Arm ihr den Haftbefehl unter die Nase hielt. »Miss Tracey Lamb?«
    »Was habt ihr verdammten Bullen in meinem Haus zu suchen?« Sie schlug die Hand zur Seite und drehte sich um, sodass sie den ganzen Gang vor Augen hatte. »Hab ich euch vielleicht hereingebeten?«
    »Natürlich nicht – aber Sie waren ja nicht hier.«
    »Ihr Schweine !«
    Überall im Haus Polizisten. Sie gingen hemdsärmelig von Zimmer zu Zimmer, ließen sich durch Traceys Gejammer nicht im Geringsten irritieren, sondern streiften sich gemächlich ihre Latex-Handschuhe über. Oben auf dem Treppenabsatz unter der Luke, die zum Dachboden hinaufführte, war eine Trittleiter aufgestellt, auf der die hübschen Beine einer Frau in braunen Stöckelschuhen zu erkennen waren. Tracey hörte, dass jemand dort oben umherging, sah den Strahl einer Taschenlampe aufblitzen.
    »Was habt ihr auf meinem verdammten Speicher zu suchen?«, kreischte sie die Treppe hinauf.
    Ein Beamter legte ihr die Hände auf die Schulter. »Miss Lamb, ich glaube, dass es besser ist, wenn Sie uns einfach unsere Arbeit machen lassen.«
    »Ihr Schweine … o Gott …« Natürlich wusste sie, dass sie völlig machtlos war. Caffery – dieses beschissene Bullen-Arschloch . Sie sank zu Boden, raufte sich die Haare. »Ihr Schweine!«
    Die Frau, die oben in der Speicherluke stand, kletterte jetzt vorsichtig wieder nach unten und reichte dem Uniformierten am Fuß der Leiter einen über und über mit Spinnweben bedeckten, blauen Schuhkarton. Der Mann drehte sich um und brachte den Karton nach unten.
    Als Lamb sah, was er in der Hand hielt, rastete sie völlig aus. Sie hielt ihn an einem Bein fest. »Das gehört mir – die Kiste gehört mir, du Schwein!«
    »Ja, ja.« Der Beamte versuchte, sein Bein zu befreien, und hielt den Karton in die Luft, doch Tracey ließ sich nicht so leicht abschütteln. »Kann mich mal jemand von dieser Frau befreien?«
    »Miss Lamb«, sagte ein anderer Beamter. »In dem Karton befinden sich Beweisstücke.«
    »Ich weiß, was in dem Karton ist – du Scheißer . Der verdammte Karton gehört mir …«
    »Los, verdammt noch mal, jetzt helft mir doch endlich!«
    Mit erstaunlicher Behändigkeit sprang Lamb auf die Füße und verpasste dem Beamten einen so heftigen Schlag, dass der Karton zu Boden stürzte. »O Mann – du blöde Kuh …« Der Inhalt der Schachtel schlitterte über den Boden. Sämtliche Anwesenden starrten etliche Sekunden konsterniert die Bilder an, die am Boden verstreut lagen. Sogar Lamb schien im ersten Moment über den Anblick schockiert. Sie stand mit eingeknickten Knien und vornüber geneigtem Oberkörper über den Bildern. Ihr Gesicht war schneeweiß, und es sah fast so aus, als ob sie jeden Moment auf die Knie fallen wollte.
    »Tracey, jetzt hören Sie doch auf mit dem Quatsch …«
    »Verpisst euch!«
    Auf dem Boden lagen rund dreißig grobkörnige Fotografien, die noch den früher üblichen, weißen Rand hatten. Auf den Bildern war ein etwa sechs Jahre altes blondes Mädchen zu sehen, das auf einer Gartenbank saß. Die Kleine trug eine knapp geschnittene kurze Latzhose, auf die vorne ein Häschen aufgestickt war. Ihr schulterlanges Haar war wie bei einer erwachsenen Frau – im Stil der Sechzigerjahre – an den Spitzen nach innen gedreht. Auf einigen der Fotos spielte sie mit einem Wasserball, auf anderen war der Latz heruntergelassen, und die Kleine präsentierte stolz ihre noch völlig unentwickelte weiße Brust, während sie den Kopf kokett zur Seite geneigt hielt. Auf zwei Fotos, die unweit der rückwärtigen Tür zwischen den Füßen eines verlegenen Beamten gelandet waren, war dasselbe kleine Mädchen auf einem Bett zu sehen. Sie hockte völlig nackt rittlings auf dem Gesicht eines erwachsenen Mannes.
    »Nein!« Lamb warf sich auf den Boden, landete mit dem Gesicht direkt auf den Bildern. »Nein – die gehören mir, bitte nehmt sie mir nicht weg – bitte !« Sie ruderte wie wild mit den Armen – wie ein Schwimmer, der sich mit letzter Kraft über Wasser zu halten versucht – und schob die Fotos unter

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