Die Behandlung: Roman (German Edition)
gekannt, dann hätte sie es bei dieser Attacke bewenden lassen – ihn nicht bis zur Weißglut gereizt. »Also?«, sagte sie, neigte den Kopf zur Seite und lächelte. »Los, fangen Sie schon an. Und vergessen Sie nicht, dass Sie besonders nett zu mir sein müssen.«
Damit hatte sie den Bogen endgültig überspannt. Jetzt war es zu spät. Er rutschte auf seinem Stuhl nach vorne und sprach ganz leise: »Hören Sie auf, mich zu verarschen, Tracey.« Und dann sagte er ihr direkt ins Gesicht: »Sollte ich Ihnen noch einmal auf der Straße begegnen, bring ich Sie um.«
»So, so«, sagte sie schelmisch. »Na ja, wenn Sie’s genau wissen wollen: Sie können mich mal. Gut möglich, dass ich ohnehin nichts weiß.«
»Was für eine Überraschung.« Er erhob sich von seinem Stuhl. »Nur dass ich wirklich meine , was ich sage.«
Er ging zur Tür, schob den Ärmel hoch, um den kleinen Sicherheitsstempel zu entblößen. Eine Beamtin mit einem klirrenden Schlüsselbund erschien neben ihm, führte ihn zu einem kleinen schwarzen Kasten und schob seine Hand in das UV-Gerät. »So, das war’s auch schon.« Die Markierung auf seiner Hand leuchtete auf, sie schob einen ihrer zahlreichen Schlüssel in das Schloss und hielt ihm die Tür auf. Auf der Schwelle blieb er noch mal kurz stehen und drehte sich halb zu Tracey Lamb um, die an dem Tisch stand und sich mit den Händen aufstützte. Sie murmelte irgendwas und hob die Augenbrauen, doch Caffery wandte sich einfach ab, bedankte sich bei der Beamtin und verschwand durch die Tür. Er zitterte am ganzen Körper.
Scheiße . Lamb ließ sich wieder auf den Stuhl fallen und trat zornig gegen die Tischbeine. Sie konnte es nicht fassen, dass er einfach weggegangen war. Dabei hatte sie ihn schon beinahe so weit gehabt – das Spiel fast gewonnen . Sie blickte um sich, sah all die Mütter und Töchter und Babys und wusste plötzlich, dass sie allein war. Ganz allein.
Sie bohrte die Fingernägel in ihren Styroporbecher und bemerkte, dass eine der Aufseherinnen sie beobachtete. »Was ist denn?«, fragte sie und sah die Frau böse an. »Wieso starren Sie mich so an?«
31. KAPITEL
Auf dem Revier herrschte Feierabendstimmung. Die meisten Computer waren bereits abgeschaltet, und Kryotos hatte sogar schon die Tassen gespült. Sie wollte gerade das Büro verlassen und zog sich schon die Jacke an, als Caffery aus dem Lift trat. Sie kannte den Mann inzwischen gut genug und wusste, dass es völlig sinnlos war, mit ihm zu streiten, wenn er mit diesem Gesicht herumlief. Mein Gott, macht der heute ein Gesicht . »Na gut«, sagte sie und zog ihre Jacke wieder aus, ohne auch nur abzuwarten, was er ihr zu sagen hatte. Die beiden gingen gemeinsam zu Kryotos’ Schreibtisch hinüber, und sie schaltete den Computer wieder ein und gab die Suchdaten ein, die er ihr nannte: Haftstrafen seit 1989, Tätlichkeiten gegen Polizeibeamte mit einem Messer oder einer Rasierklinge, außerdem Adressen in SW2-London, besonders im Umkreis des Brockwell Parks.
»Wo haben Sie denn diese Daten schon wieder aufgegabelt, Jack?« Souness kam hemdsärmelig von nebenan herein. In der einen Hand hielt sie eine Tasse Kaffee, in der anderen einen Stapel Dokumente. Sie blieb hinter Caffery und Kryotos stehen. »Wo kommt das ganze Zeug denn her?«
»Keine Ahnung.« Er wich ihrem Blick aus. »Nur ein Versuchsballon.«
Noch während er sprach, spürte er, wie sie ihn mit diesem skeptischen Röntgenblick ansah, und er wandte den Kopf ab, damit sie sein Gesicht nicht sehen konnte.
»Jack?« Er wollte sich schon aus dem Staub machen, nach nebenan gehen, doch Souness hatte ihn bereits erwischt, und das wusste sie auch. Sie musste ihn nur noch ein wenig weich klopfen. »Jack, Sie brauchen doch nicht vor mir wegzulaufen.« Sie ging ihm einfach nach. »Mir können Sie doch nichts vormachen.«
»Es handelt sich um eine persönliche Geschichte, Danni.« Er setzte sich an seinen Schreibtisch. Muss man hier denn alles von sich preisgeben ?
Aber sie lehnte bereits am Türrahmen und nippte an ihrem Kaffee. »Dann hat Jack Caffery also ein kleines Geheimnis.« Sie sah sich um, machte die Tür zu und kam in das Zimmer. Sie stellte den Kaffee auf den Schreibtisch, neigte sich zu ihm herab und sagte leise: »Jack, mir wäre wohler, wenn Sie hier nicht den Geheimniskrämer spielen würden.«
Er blickte ihr direkt ins Gesicht und imitierte ihren Tonfall: » Was wollen Sie denn wissen, Danni ?«
»Sie könnten mir, zum Beispiel, sagen, ob Sie
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