Die Behandlung: Roman (German Edition)
zu einer braunen Eule in einem Glasbehälter. In einigen Bereichen der Wohnung starrten die Räume vor Schmutz – ja, im Bad herrschte ein so bestialischer Gestank, dass Souness sich bei einem ersten Inspektionsgang die Hand vor den Mund hielt -, und in dem gut bestückten Kühlschrank gammelten diverse Lebensmittel vor sich hin. Eigentlich sprach alles dafür, dass Klare für das Chaos auf dem Speicher der Familie Peach verantwortlich sein musste. Doch andererseits herrschte in der Wohnung eine geradezu pedantische Ordnung. Der Boden in der Küche war spiegelblank, und die Arbeitsfläche wurde von Klare offenbar mit so manischer Gründlichkeit gereinigt, dass sie an einigen Stellen buchstäblich durchgescheuert war. Auf dem Herd stand ein großer Kochtopf voll Wäsche. Auch die nackten Fußböden waren tadellos gepflegt.
Als Souness sich im Wohnzimmer umsah, wurde sie sofort fündig. »Hey, Jack«, rief sie, »schauen Sie sich das mal an.«
Er kam in das Wohnzimmer, wo er sie im Widerschein des Abendhimmels vor dem Schreibtisch stehen sah. Sie starrte in eine geöffnete Schublade. »Was ist das denn?«
»Weiß der Henker.« Sie zog das merkwürdige Ding aus der Lade: ein zerfleddertes Notizbuch, das von einem Gummiband zusammengehalten wurde. »Und – was fällt Ihnen dazu ein?«
Er fasste sie am Ellbogen und hob ihren Arm so weit in die Höhe, dass er den Gegenstand in ihrer Hand in dem spärlichen Licht etwas deutlicher sehen konnte. Auf der vorderen Einbandklappe klebte ein Etikett mit der Aufschrift »Die Behandlung«. Viele der Blätter waren in einer winzigen krakeligen Schrift mit merkwürdigen Formeln und Schnörkeln voll gekritzelt. An anderen Stellen waren Zeitungsausschnitte in das Buch geklebt, Artikel über den Fall Rory Peach. Caffery lief ein kalter Schauder über den Rücken. »Das nehmen wir auf jeden Fall mit.«
»Einverstanden.« Souness ließ das Notizbuch in eine Gefriertüte gleiten und schob es dann in ihre Jackentasche. Dann blickte sie sich wieder in dem dämmerigen Wohnzimmer um. »Na, dann machen wir mal weiter.«
Während der nächsten zehn Minuten durchforsteten sie die übrige Wohnung, ohne recht zu wissen, wonach sie eigentlich suchten. In einem Zeitungsständer entdeckte Souness eine Karte, auf der ein frisch gewickelter Säugling abgebildet war. Darunter stand: »TUT MIT LEID, DASS ICH DICH MIT EINEM PER – SÖNLICHEN PROBLEM BEHELLIGEN MUSS …« Als sie die Karte aufklappte, sprangen ihr die Worte »ABER ICH BIN GEIL« entgegen. In einer Schublade im Schlafzimmer fand Caffery eine aufblasbare männliche Kinderpuppe, an deren Fuß ein japanisch beschriftetes Etikett haftete. Ja, sie waren genau am richtigen Ort. Merkwürdig , dachte Caffery, wie in einem Museum . Klare hatte seine Sammlung sorgfältig auf Klapptischen aus Metall arrangiert, wie man sie vielleicht auf einem Flohmarkt findet. Caffery fiel auf, dass Klare kein einziges Objekt am Boden deponiert, sondern seine sämtlichen Fundstücke auf diesen Tischen ausgebreitet hatte. Plötzlich fiel ihm wieder ein, wo man den kleinen Rory Peach gefunden hatte. Ja, das perverse Schwein hat seine Beute wie eine Raubkatze im Geäst eines Baumes versteckt.
Er war noch immer mit diesem Gedanken beschäftigt, als er einige Minuten später im Schlafzimmer eine Schranktür öffnete und entdeckte, wonach er schon die ganze Zeit Ausschau gehalten hatte. »Hey, Danni«, rief er, »haben Sie mal’n Augenblick Zeit?«
»Was ist denn?« Sie kam aus dem Wohnzimmer herüber und schob sich mit erhobenen Armen zwischen den Tischen hindurch. »Was ist denn los?«
»Keine Ahnung.« Er betastete die Innenwand des Wandschranks und schaltete das Licht ein.
»Rote Glühbirne«, murmelte Souness und spähte misstrauisch in den Schrank. »Seltsam.«
»Eine Dunkelkammer.«
»Was?«
»Das ist eine Dunkelkammer – schauen Sie nur.« Er wies auf einen niedrigen Plastiktisch, auf dem einige Flaschen mit chemischen Substanzen standen, daneben ein Vergrößerungsgerät. Ein Stück weiter hinten auf dem Tisch war eine mit braunem Klebeband umwickelte Keksdose abgestellt. »Eine Dunkelkammer-Ausrüstung.« Caffery zog sein Armeemesser aus der Tasche, schlitzte das Klebeband auf, öffnete den Deckel der Dose und schaute hinein. »Ach du Scheiße.«
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Da sind sie ja.« Er gab Souness die Taschenlampe und brachte einen Stapel Papier zum Vorschein. »Fotos.«
»Was?«
»Schauen Sie mal.«
Souness kam näher,
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