Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
Er suchte in seiner Jackentasche nach Kleingeld. »Was möchten Sie, Tracey – Tee, Kaffee?«
    »Gar nix. Haben Sie die Kippen dabei?«
    »Sie wissen doch ganz genau, dass man hier keine Zigaretten hereinbringen darf.«
    »Na gut«, sagte sie leichthin. Caffery bemerkte sofort, dass sie bester Laune war. Offenbar fand sie es sehr erfreulich, dass ein einziger Anruf genügt hatte, um ihn zu einem Besuch zu animieren. Aber natürlich wollte sie nicht gleich die Karten auf den Tisch legen. »Und wie komme ich zu der Ehre?«
    Er beugte sich vor und legte die gefalteten Hände vor sich auf den Tisch. »Wer ist Rollo?«
    » Was ?«
    »Rollo. War bei einem von Carls Videos dabei.«
    »Was, zum Teufel, wollen Sie denn von dem ? Den kriegen Sie sowieso nicht – der kann euch Bullen nämlich nicht ausstehen.«
    »Er wohnt irgendwo in Brixton in der Nähe des Parks – richtig?«
    »Na und?« Sie zog die Stirn in Falten und kratzte sich nervös am Innenarm. »Was, zum Teufel, hat der denn mit der Sache zu tun?«
    »Wie heißt er richtig?«
    »Glauben Sie vielleicht, dass ich jemanden verpfeife – von mir erfahren Sie nichts!«
    »O doch, Tracey – sonst werd ich das gesamte Videomaterial bei der Sitte abliefern.«
    Sie starrte ihn wütend an. »Ach, Quatsch …«, sagte sie. »Sie haben doch vor der Sitte viel mehr Schiss als ich. Außerdem haben Sie die Videos ja schon lange nicht mehr, Sie haben das Zeug doch schon längst vertickt.« Sie spuckte in ihren Styroporbecher, wischte sich dann den Mund ab und sah ihn an. »Ich weiß doch genau, was Sie wollen – und ich kenn sogar Ihre Verbindungen.«
    Er saß schweigend da und stützte sich mit den Handflächen auf den Tisch. Hinter ihr in der Kinderkrippe herrschte ein lebhaftes Treiben. Ein strampelndes Baby wurde gerade frisch gewickelt. Sollte Lamb doch glauben, dass sie ihn an der Angel hatte – sie hatte ohnehin bereits mehr preisgegeben, als ihr bewusst war.
    »Also gut.« Er stand auf und wandte sich zum Gehen. »War mal wieder ein außerordentliches Vergnügen, Sie zu sehen, Tracey.«
    »Augenblick mal.« Sie hatte sich jetzt ebenfalls halb erhoben und sah ihn verzweifelt an.
    »Wieso?«
    Sie blickte nervös zu der Aufseherin hinüber und fuhr dann flüsternd fort: »Wollen Sie denn gar nichts über den Jungen wissen – ich meine, Pendereckis Jungen?« Sie ließ sich wieder auf den Stuhl sinken, schob sich das Haar hinter die Ohren und starrte auf den Tisch. »Ich dachte, dass wir darüber sprechen wollten«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
    »Nein.« Er beugte sich vor, stützte sich mit den Händen auf den Tisch und sah sie aus nächster Nähe an. »Nein, Tracey. Ich hab es nämlich bis obenhin satt, mich von Ihnen verarschen zu lassen.«
    »Aber ich weiß etwas.«
    »Glaub ich nicht. Sie lügen mich doch ohnehin nur an. Aber das kenn ich schon, ist nicht das erste Mal.«
    »Herbst 1975«, sagte sie.
    Caffery, der gerade Luft holte, um etwas zu sagen, war völlig perplex. Er starrte sie an, inspizierte ihr Gesicht und glaubte im ersten Augenblick, sich verhört zu haben. Woher kann sie wissen, wann es passiert ist ? Kleinlaut setzte er sich wieder hin und stützte den Kopf auf die Hände. So saß er wohl eine Minute schweigend da, hasste die Frau von ganzem Herzen, hätte sie am liebsten geschlagen. Sie hatte ihn mitten ins Herz getroffen und weidete sich auch noch an seinen Qualen, und er konnte nichts dagegen tun. »Also gut – dann schießen Sie mal los.« Er hob den Kopf und fuhr sich erschöpft mit den Händen über das Gesicht. »Legen Sie endlich die Karten auf den Tisch.«
    »Das könnte Ihnen so passen.« Lamb sah ihn mürrisch an. Sie kratzte sich unter dem Arm, schnaubte vernehmlich und blickte mit erhobener Nase in dem Raum umher. »So einfach geht das nicht«, sagte sie und sah zur Decke hinauf. »Da müssen Sie sich schon was Besseres einfallen lassen. Was glauben Sie denn?« Sie beförderte eine Portion Auswurf zu Tage, spuckte das Zeug in den Styroporbecher, wischte sich den Mund ab und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Da müssen Sie sich schon was Besseres einfallen lassen. Zuerst müssen Sie mir mal beweisen, dass Sie nicht von der Sitte sind. Ist nämlich ziemlich merkwürdig, dass diese Leute ausgerechnet nach Ihrem ersten Besuch bei mir aufgekreuzt sind.«
    Er nickte, fixierte sie und strich sich über das Kinn – wie ein Therapeut, der sich einen Eindruck von einem Patienten verschafft. Hätte Tracey Lamb ihn besser

Weitere Kostenlose Bücher