Die Behandlung: Roman (German Edition)
»Unglaublich: Da mach ich mir die Mühe, mich als Super-Lesbe zu präsentieren, und die Kerle sind zu doof, davon was zu merken. Was nicht in ihr jämmerliches kleines Weltbild passt, davon kriegen diese Vollidioten einfach nichts mit.«
Obwohl ihm eigentlich nicht danach zu Mute war, huschte ein Lächeln über Cafferys Gesicht. Als Souness später nach Hause gehen wollte, hielt er sie noch kurz auf: »Vielen Dank, Danni. Ich weiß, dass Paulina schon auf Sie wartet. Danke, dass Sie sich so viel Zeit für mich genommen haben.«
Cafferys viktorianisches Cottage lag ruhig da. Er parkte seinen ramponierten alten Jaguar direkt hinter Rebeccas schwarzem VW-Käfer und zog sich bereits auf dem Weg zur Eingangstür die Krawatte vom Hals. Rebecca war trotz der späten Stunde noch wach – aus dem Wohnzimmer im hinteren Teil des Hauses drang leise Musik. Vorne im Eingangsbereich lagen zwei metallic-grüne Stöckelschuhe, in denen der schon fast verblasste Name Miu Miu prangte. Er blieb kurz stehen, wie er es in letzter Zeit immer tat, wenn er nach Hause kam, und versuchte zu erraten, in welcher Stimmung er sie wohl antreffen mochte. Dann öffnete er die Tür.
Sie machte gerade auf dem Sofa einen halben Kopfstand und betrachtete kichernd ihre zappelnden Zehen. Dabei trug sie Khaki-Shorts und eines von seinen grauen T-Shirts: An einem Kissen lehnte wie angetrunken eine Flasche Blavod, und im Aschenbecher glomm ein Zigarillo vor sich hin.
»Zufrieden?«
»Hey!« Sie ließ die Beine sinken und drehte sich um. Dann grinste sie ihn an, und er war froh, dass sie guter Dinge war. Leicht erhitzt und beschwipst, aber wenigstens gut gelaunt.
»Jedenfalls scheinst du gut drauf zu sein.«
»Na ja, geht so.« Im Hintergrund lief eine CD – irgendein Gedudel – Air oder so was. »Abgefüllt.«
»Kleine Säuferin.« Er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie. »Hab den ganzen Tag versucht, dich anzurufen.« Er ging in die Küche und hängte seine Jacke an den Haken hinter der Tür. Dann griff er sich seinen Glenmorangie und ein Glas.
»Ich war heute mit ein paar Slade-Stipendiaten in Brixton. Scheint so, als ob die mich für den lieben Gott halten oder so was.«
»Blasphemie.« Er zog die Schuhe aus, ließ sich auf das Sofa fallen und entkorkte den Whisky. »Aufgeblähtes Ego – was?«
»Na ja.« Sie nahm ihr langes braunes Haar, das seitlich vor ihrer Schulter hing, warf es nach hinten und krabbelte dann zu ihm hinüber: Ihre stets leicht gebräunten, sesamölfarbenen Beine waren eine wahre Pracht. »Mamma mia«, hatte ihm Souness einmal nach einer halben Flasche Scotch gestanden: »Man braucht die Frau bloß anzusehen, und schon lodert die Flamme der Leidenschaft.«
»Ich hab heute in den Nachrichten jemanden gesehen, den ich kenne.« Rebecca legte ihm die Arme auf die Schultern und küsste seinen Nacken. »Allerdings nur von hinten. Aber ich habe dich an deinem Hintern erkannt – und weil nicht zu übersehen war, wie mies du drauf bist.«
Er leerte sein Glas, goss sich nach und spielte mit ihren Fingern. Seit drei Tagen hatten sie kaum Zeit füreinander gehabt – das war ihm erst bewusst geworden, als sie die Beine mit ihren hellbraunen Pretty-Polly-Strümpfen übereinander geschlagen und ihm damit den Schweiß auf die Stirn getrieben hatte.
»Mensch, du musst doch fix und fertig sein.«
»Vier Stunden Pause. Um fünf muss ich wieder im Büro sein.«
»Es geht um diesen kleinen Jungen, nicht wahr?«
»Hm. Ja.« Er hob ihre Hand und inspizierte ihre Finger, verglich ihre perlweißen Nägel mit seinen eigenen. Der Daumen seiner linken Hand war schwarz, ein Bluterguss, mit dem er leben musste. Eine Art Stigma – das er sich an dem Tag zugefügt hatte, an dem Ewan verschwunden war. Ein Wundmal, das sich in den siebenundzwanzig Jahren seither nicht verändert hatte. »Lassen wir das Thema – bitte.«
»Wieso?«
Wieso? Weil Ewan in Cafferys Vorstellung ohnehin bereits mit dem kleinen Rory verschmolzen war – und das weißt du ganz genau, Becky. Ganz sicher sind dir die Parallelen nicht entgangen, und wenn wir erst mal anfangen, wenn es so weit kommt, dann sind wir sofort wieder bei Ewan, und dann ist es vorbei mit der guten Laune, und dann könnte ich vielleicht etwas Dummes über dich sagen und von diesem Bliss anfangen und ...
»Weil ich müde bin. Ich hab mich bereits den ganzen Tag mit dem Thema beschäftigt.«
»Na gut.« Sie biss sich auf die Unterlippe und gab sich mit seiner Auskunft zufrieden.
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