Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
Gemeinheit für ihn bereit: Mal klingelte ständig das Telefon, dann wieder fand er eine hingekritzelte Notiz oder einen Brief, in dem der perverse alte Sack Cafferys Theorien über den Verbleib seines Bruders um eine neue Variante bereicherte. Einfälle hatte der Kerl – das musste man ihm lassen, aber natürlich schenkte Caffery diesen Ergüssen keinen Glauben.
    Mal schrieb Pendrecki, Ewan sei damals von einem Zug erfasst und so weit mitgeschleppt worden, dass die Polizei seine Leiche nie gefunden habe. Dann wieder behauptete er, Ewan habe zwar zunächst überlebt, sei aber später in einem Wohnwagen auf einer abgelegenen Farm verhungert, wo er – Penderecki – ihn während der Durchsuchung seines Hauses versteckt habe. Oder: Ewan hatte angeblich als Sex-Sklave bei Penderecki gelebt, bis er eines Nachts ganz plötzlich einfach zu atmen aufgehört hatte. Oder: Ewan sei noch am Leben und wohlauf und heute selbst als Pädophiler in Amsterdam aktiv … Jeder dieser Briefe war so widerlich und gemein, dass Caffery seinen Vorsatz bisweilen fast vergessen hätte. Doch er hatte sich nun einmal vorgenommen, diese Schmierereien samt und sonders zu ignorieren.
    Eine Hand berührte ihn an der Schulter. Er zuckte zusammen. »Rebecca.« Er schüttelte den Kopf. »Tut mir echt Leid.« Vor Zorn bebte er am ganzen Körper.
    »Ist doch nicht deine Schuld. Miese Ratte, der Kerl.«
    »Er versucht immer wieder, mich zu provozieren.«
    »Ich weiß.« Sie küsste seinen nackten Hals. »Das alte Schwein macht es dir so schwer wie möglich.«
    »Ja, kann schon sein.« Er fingerte in seiner Tasche nach dem Tabak. »Er hat mir von jeher das Leben zur Hölle gemacht.«
    Sie legte ihm die Arme um die Taille. So standen sie schweigend da und starrten in die Dunkelheit jenseits des Bahndamms. Dann sahen sie, wie in Pendereckis Haus die Lichter angingen. Scheint so, als ob er seine Gemeinheiten noch vertiefen möchte, dachte Caffery. Seit Monaten schon nahm die Zahl der Schreiben, die er von jenseits des Bahndamms erhielt, rapide zu. Erst vor drei Tagen hatte wieder so ein Brief vor der Tür gelegen:
    Lieber Jack,
    nach siebenundzwanzig Jahren ist es jetzt an der Zeit, Sie endlich darüber aufzuklären, was Ihrem Bruder damals zugestoßen ist. Sie werden mir gewiss glauben, dass ich Ihnen die WAHRHEIT sage, und zwar die REINE WAHRHEIT, doch nicht etwa, weil ich Mitleid mit Ihnen hätte, nein, vielmehr weil mich mein »Gewissen« plagt und Sie es VERDIENT haben, die Wahrheit zu erfahren.
    Er hat keine Schmerzen gelitten, Jack, und keine Angst gehabt, weil er es nämlich WOLLTE. Als ich ihn entjungfert und ihm befohlen habe, meinen Schwanz zu lecken, hat er diesem Wunsch Folge geleistet, weil er es so WOLLTE. Ja, er hat zu mir gesagt, dass er alles für mich tut, dass er sogar bereit ist, meine Hinterlassenschaften aufzuessen, wenn Sie wissen, was ich meine, weil er mich so sehr liebt. Das mag in Ihren Ohren grausam klingen und in meinen nicht weniger, aber es sind die Worte Ihres Bruders, Jack, Ihres einzigen Bruders, und deshalb sollten Ihnen diese Worte HEI-LIG sein, und Sie dürfen nicht glauben, dass ich mir das alles nur ausgedacht habe. Außerdem sollte ich Ihnen vielleicht sagen, dass er am Ende durch einen UNFALL, einen reinen UNFALL ums Leben gekommen ist und nicht etwa, weil ich Ihrem Bruder etwas Böses tun wollte – nein, vielmehr weil es ein UNFALL war. Und jetzt hat er seinen Frieden gefunden.
    GOTT SEGNE UNS ALLE.
    Und dann dieses ewige Herumspionieren, dieses ständige Herumschleichen in seinem Garten. Caffery drehte sich eine Zigarette. Er hasste diesen Penderecki, weil der Kerl ihn ständig unter Druck setzte, er hasste ihn, weil das Schwein ihn stets aufs Neue an früher erinnerte. Rebecca küsste wieder seinen Hals und schlenderte dann zu der alten Buche hinüber, die am Ende des Gartens stand. Sie presste ihre Handflächen gegen den Stamm. »In dieser Buche habt ihr doch damals euer Baumhaus gehabt, nicht wahr?«
    »Ja.« Er senkte den Kopf und zündete sich die Zigarette an.
    »Dann …« Sie legte ihr Ohr an den Stamm des Baumes, als ob sie seinen Puls hören wollte, und blickte nach oben in das weit ausladende Geäst. »Und wie seid ihr damals – ah, verstehe.«
    »Rebecca.«
    Doch bevor er sie noch aufhalten konnte, kletterte sie auf den Eisensprossen, die Jacks Vater damals für seine beiden Söhne an dem Baum befestigt hatte, behände den Stamm hinauf. Oben legte sie sich wie ein Gnom in die Beuge eines dicken

Weitere Kostenlose Bücher