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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Und da man im Park nicht den geringsten Hinweis auf Rorys Verbleib entdeckt hatte, hatte Souness die Leute angewiesen, auch die angrenzenden Straßen gründlich zu durchkämmen: Geräteschuppen, Garagen, unbebaute Grundstücke. Doch von Rory weit und breit keine Spur. Auch die Befragung der Anwohner hatte keinen einzigen Hinweis ergeben. Es sah fast so aus, als ob der kleine Rory Peach in einer der am dichtesten besiedelten Gegenden des Landes einfach spurlos verschwunden war, und niemand hatte irgendetwas mitbekommen. Auch in den Häusern am Donegal Crescent hatte am Donnerstagabend kein Mensch gehört, wie eine Scheibe eingeschlagen wurde. Ferner hatte angeblich niemand gesehen, wie der Eindringling das Haus wieder verlassen hatte. Obwohl die Medien die Kripo von morgens bis abends mit Fragen gelöchert hatten, gab es einfach nichts Neues zu vermelden. Im Grunde genommen war die Polizei nicht einen Millimeter weiter als vierundzwanzig Stunden zuvor. Trotz seiner Müdigkeit musste Caffery immer wieder daran denken, was vor siebenundzwanzig Jahren einer der Polizisten zu seiner Mutter gesagt hatte: Sie müssen sich einfach damit abfinden, dass Sie die Wahrheit wohl nie erfahren werden. Auch die Kollegen waren inzwischen nervlich ziemlich am Ende: Der kleine Rory war jetzt schon die zweite Nacht von seiner Familie getrennt, und Caffery hatte einigen jüngeren Kollegen gut zureden müssen, die mit der Situation psychisch einfach nicht zurechtkamen.
    »Wenn mich nicht alles täuscht« – Souness schaltete ihr Handy aus und schob es in die Tasche -, »macht Ihnen gerade diese Vorstellung am meisten zu schaffen.«
    Caffery – der gerade seinen Stuhl zurückgeschoben hatte und darüber nachdachte, ob er die Flasche Scotch, die sie unter dem Schreibtisch in einer Reisetasche verwahrten, hervorkramen sollte – war plötzlich hellwach. Er legte die Hände auf den Schreibtisch und saß eine Weile reglos da. Dann sah er sie an. »Welche Vorstellung?«
    »Also, ich meine …« Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und öffnete den obersten Knopf ihrer Hose, um sich etwas Luft zu verschaffen. »Ich meine, dass der Fall auffällig viele Übereinstimmungen mit der Entführung Ihres Bruders Ewan aufweist.« Sie zog die Augenbrauen hoch. Sie gab ihren Worten keinen besonderen Nachdruck – und ihre Stimme hatte weder einen ironischen noch einen vorwurfsvollen Klang. Sie bot ihm lediglich an, über das Thema zu sprechen. »Ja, das meine ich.«
    »Okay.« Er hob die Hand. »Ich glaube, dass reicht erst mal.« Sobald der Name Ewan fiel, hatte er augenblicklich das Gefühl, dass eine fremde Macht von seinen Gehirnwindungen Besitz ergriff und an seine tiefsten Geheimnisse rührte. Deshalb kam ihm der Name seines Bruders auch fast nie über die Lippen. Als jetzt plötzlich ein anderer Mensch diesen Namen so selbstverständlich aussprach, wie zum Beispiel Brian oder Dave oder Alan oder Gary, da verlor Caffery plötzlich die Fassung. »Vermutlich sollte ich Sie jetzt fragen, woher Sie von der Sache wissen.«
    »Ach, die Geschichte kennt doch jeder hier.«
    »Na toll.«
    »Die halbe Belegschaft war doch damals auf Ihrer Party, als dieser Ivan Penderecki, also, als dieser Mensch – am besten, wir vertiefen das nicht weiter. Aber Paulina hört in der Pädo-Abteilung noch ab und zu was über den Mann. Wenn sie nicht gerade ihre Fingernägel manikürt oder mit meiner Kreditkarte einkaufen geht, stellt sie manchmal ihre privaten kleinen Recherchen an, und dabei ist ihr etwas Interessantes zu Ohren gekommen. Sie hat nämlich herausgefunden, dass der Name dieses Penderecki im Zusammenhang mit einem siebenundzwanzig Jahre zurückliegenden Entführungsfall auftaucht. Und das Tatopfer damals war ein kleiner Junge namens Ewan Caffery. Und dann stellt sich noch heraus, dass der Name eines gewissen Jack Caffery, der heute als Inspector bei der Polizei tätig ist, damals ebenfalls in sämtlichen Zeitungen abgedruckt war. Na ja, und da liegt es natürlich selbst für eine misstrauische Lesbe ziemlich nahe, zwei und zwei zusammenzuzählen.« Sie bückte sich und brachte die Bell’s-Flasche zum Vorschein, schraubte den Verschluss auf und füllte zwei Kaffeebecher fast zur Hälfte mit aromatischem Whisky. »Hier, bitte.« Sie schob ihm eine der Tassen zu und lehnte sich dann wieder in ihrem Stuhl zurück. »Die Geschichte hab ich bereits gekannt, bevor ich überhaupt hier angefangen habe – ja sogar schon, bevor ich Sie zum ersten Mal gesehen

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