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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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gleichsam über Nacht plötzlich angefangen zu reden. Aber nicht etwa mit ihm, nein, mit irgendwelchen Idioten von der Presse. Mit ihm sprach sie bis heute nicht darüber.
    Und wie wär’s, wenn du zur Abwechslung mal mit mir darüber sprechen würdest?
    Hab ich doch schon. Schließlich hast du meine Aussage zu Protokoll genommen.
    Und dann hatte sie plötzlich angefangen, sich hinter ihrer idiotischen Kunst zu verschanzen. Gipsabgüsse von den Genitalien anderer Frauen. Genauso absurd wie deprimierend – die Wende. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie im Stande war, die Regungen ihres Herzens vollkommen von ihrem Körper abzukoppeln, und das auf eine Weise, die ihm – in seiner schlichten Art – völlig unbegreiflich erschien.
    »Du hättest ruhig ein bisschen netter zu der Frau sein können«, sagte sie, als sie gerade bei Tesco’s um die Ecke bogen. »Du weißt ja nicht mal, wer sie war. Vielleicht arbeitet sie für eine Zeitung.«
    »Vielleicht war sie aber auch bloß eine blöde Zicke.«
    »Du willst einfach nichts begreifen.« Sie ging ein paar Schritte hinter ihm her, betrachtete gelangweilt die Produkte in den Regalen und ließ wie ein Schulmädchen die Arme schlenkern. »Ich muss mich auf solchen Veranstaltungen nun mal produzieren – das gehört zum Spiel.«
    »Aber ich hab keinen Bock darauf.« Er ging einfach weiter, ohne auf sie zu warten, wollte den Einkauf möglichst rasch hinter sich bringen und dann nach Hause gehen. Nebenbei beobachtete er mechanisch die anderen Kunden und überlegte, ob Rory Peachs Entführer wohl darunter sei. Er rechnete schon fast damit, dass jeden Augenblick jemand mit dem Finger auf ihn zeigen und sagen würde: Warum suchen Sie nicht dieses entführte Kind? Woher nehmen Sie nur die Frechheit, sich in der Pasta-Abteilung von Tesco’s rumzutreiben, obwohl der kleine Rory noch immer wie vom Erdboden verschluckt ist? Er warf eine Packung Reis in den Korb und ging dann weiter. Rebecca schlenderte hinter ihm her. »Ich hab einfach keinen Bock darauf, dir den ganzen Abend dabei zuzusehen, wie du mit jedem Flachkopf herumalberst, der ein Mikrofon oder einen Stift halten kann.«
    »Oooohhh«, trällerte sie hinter ihm. »Warum sind wir denn heute Abend so schlecht gelaunt?«
    Er sagte nichts, ging nur etwas schneller.
    »Liegt es vielleicht an dem Fall, mit dem wir gerade befasst sind?«, flüsterte sie und trat näher an ihn heran. »Fühlen wir uns durch die Geschichte vielleicht an etwas erinnert, was wir lieber vergessen möchten? Ist das vielleicht der Grund?«
    »Könnten wir vielleicht mal das Thema wechseln?«
    »Oh, Jack! War doch nur ein Spaß .« Sie ging an ihm vorbei, blieb dann stehen, nahm eine Flasche Rotwein aus dem Regal und drehte sich zu ihm um. »Du musst lernen, die Dinge etwas leichter zu nehmen – du nimmst alles so ernst .«
    »Ja, mir ist es auch völlig ernst, Becky. Hör endlich auf mit diesem Quatsch.« Er ging an ihr vorbei. »Es sei denn, du möchtest wirklich offen mit mir sprechen – aber das kann ich mir kaum vorstellen.«
    »Oooh!« Sie ging jetzt neben ihm her und grinste ihn an. »Keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Ich finde das alles überhaupt nicht komisch.«
    »Musst du schon mir überlassen, ob ich etwas komisch finde. Immerhin …« Sie bog plötzlich den Kopf zurück, warf die Flasche in die Luft und beobachtete das Glitzern des Glases über ihrem Kopf. Dann fing sie die Flasche wieder auf und lächelte ihn fröhlich an. »… bin ich damals vergewaltigt worden.«
    »Mein Gott.« Er ging angewidert weiter, doch sie war sofort wieder neben ihm und grinste ihn von der Seite an.
    »Offenbar kannst du die Vorstellung nicht ertragen, dass ich im Gegensatz zu dir nicht traumatisiert bin«, sagte sie. »Worüber soll ich mir denn den Kopf zerbrechen? Schließlich habe ich es erlebt. Und ich setze mich schon irgendwie damit auseinander.«
    »Glaubst du etwa, dass du dich mit deiner Arbeit wirklich damit auseinander setzt ? Meinst du im Ernst, dass du dich damit auseinander setzt , wenn du irgendeinem Arschloch vom Guardian erzählst, wie diese Erfahrung deine Kunst beeinflusst hat? Scheint so, als ob du eine reichlich perverse Vorstellung davon hast, was es bedeutet, sich mit etwas auseinander zu setzen .«
    »Oooh – sogar pervers!« Sie beschleunigte ihr Tempo, drehte sich dann zu ihm um und ging rückwärts durch den Gang zwischen den Regalen hindurch. » Perrr-vers «, trällerte sie, ließ die Flasche wieder durch die Luft

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