Die Behandlung: Roman (German Edition)
über die Jacke. »Im Übrigen sind Sie mit dieser Frage bei mir an der falschen Adresse. Fällt leider nicht in mein Ressort.«
7. KAPITEL
Er rief Rebecca an. Das Gewicht des gesamten Tages lastete noch auf ihm. »Lass uns einfach nach Hause fahren, ein bisschen was kochen und dann ins Bett gehen …« Doch sie war nicht zu bremsen. Sie war gerade in Brixton – und zwar auf einem privaten Empfang in einer Galerie an der Coldharbour Lane -, und sie wollte unbedingt, dass er sie dort abholte. »Also gut«, sagte er, »ich komme gleich dort vorbei, und dann kaufen wir ein bisschen was ein – Wildreis und Lammfleisch und eine Flasche Rotwein – und kochen zu Hause was Schönes.« Aber er spürte sofort ihren Widerstand und dass sie unbedingt auf der Party bleiben wollte.
Als er den Wagen auf der Effra Road parkte, eilten scharenweise hübsche junge Frauen an ihm vorüber, die aus Westlondon und den umliegenden Grafschaften per Bus angereist waren und auf ihren merkwürdigen langen Beinen und mit zurückgeworfenem Kopf und strahlenden Gesichtern Richtung Zentralbrixton marschierten. Sah ganz danach aus, als ob sie gar nicht wüssten, was knapp einen Kilometer entfernt im Brockwell Park passiert war, und als ob sie noch nie von Rory Peach gehört hatten. Er schob den Schlüssel in die Tasche, ging über den Windrush Square in die Coldhabour Lane und steuerte dort das am hellsten strahlende Gebäude an, eine große lebendige Säule aus Hitze und Farbe: die Air Gallery, ein riesiges Industriegebäude aus texturiertem Beton und galvanisiertem Stahl. Als er näher kam, sah er unten im Eingang des Gebäudes Rebecca, die an einem Cocktail nippte und auf die Uhr schaute.
Er konnte sich noch gut an die Zeiten erinnern, als sie völlig entspannt – die Hände auf dem Rücken verschränkt und mit lässig gekreuzten Beinen – auf ihn gewartet hatte. Jetzt stand sie, in einer kurzen Lederweste und einer knallrosa Kampfhose und mit ihren neuesten Accessoires behängt, fast breitbeinig da und hatte eine Ausstrahlung, die nichts Gutes ahnen ließ.
»Jack.« Sie schob ihren langen braunen Arm unter sein Jacket, zog ihn an sich und erwartete auf Zehenspitzen einen Kuss. Ihre Nase war warm, und ihr Atem roch nach Orange und Cointreau. Er bemerkte sofort, dass sie betrunken war. »Ich habe gerade mit einem Typen von der Times gesprochen, und Marc Quinn ist auch da – weißt du, der Typ mit dem Kopf aus gefrorenem Blut. Also Quinn ist da und außerdem noch Ron Mu.«
»Großartig – können wir jetzt gehen?«
»Außerdem hab ich diesem Menschen von der Times erzählt, dass ich vorhabe, noch mehr von meinen Vaginas zu machen …«
»Wird ihn sicher gefreut haben.« Er versuchte, ihr den Cocktail wegzunehmen, aber sie grinste ihn nur an und schwenkte direkt vor seiner Nase eisklirrend das mit einer erdbeerfarbenen Flüssigkeit gefüllte Glas.
» Diabolo «, sang sie und machte eine lockende Bewegung mit dem Zeigefinger. »Ein Diiii-aaabolo – der Teufel .«
»Becky.« Er wurde allmählich nervös. »Können wir jetzt bitte was zu essen einkaufen und dann nach Hause fahren …« Er hielt inne. Eine Japanerin in PVC-Stiefeln und einem weißen Plastikmantel trat soeben aus der brechend vollen Galeriebar und starrte Rebecca an. Caffery kannte bereits die magnetische Wirkung, die seine Freundin auf Fremde ausübte – auch wenn ihm das nicht gefiel. Er sah die Frau an. »Was ist los?«
Die Japanerin musterte ihn mit einem langen kühlen Blick, zog eine Kamera aus der Tasche und hatte bereits zweimal den Auslöser betätigt, bevor er überhaupt kapierte, was los war. »Hey!« Sie huschte zurück in die Galeriebar, und Caffery fasste Rebecca am Arm. »Los, komm schon – lass uns endlich gehen.« Er nahm ihr den Drink aus der Hand und stellte das Glas vor der Galerie einfach auf den Gehsteig. »Komm, wir müssen noch einkaufen.«
Sie trottete lächelnd neben ihm her und plauderte über all die Journalisten, denen sie begegnet war. Er hatte es eilig und achtete nicht auf ihr Gerede. Woher kam nur plötzlich diese gnadenlose Fröhlichkeit? Etwa einen Monat nach Abschluss der Ermittlungsarbeiten war sie plötzlich wie ausgewechselt gewesen. In den ersten Wochen, als sie ständig Termine im Krankenhaus gehabt hatte und er mit den Ermittlungen befasst war, hatte zwischen ihnen ein merkwürdiges Schweigen, eine fast unwirkliche Atmosphäre geherrscht. Bliss’ Name war damals kein einziges Mal gefallen. Doch dann hatte Rebecca
Weitere Kostenlose Bücher