Die Behandlung: Roman (German Edition)
verfügbare Schmerztherapie und kümmern Sie sich um einen Platz in einer Sterbeklinik.« Caffery war mit der Grundtendenz des Buches vertraut und begriff, dass Penderecki im letzten Augenblick seine verquere Gottgläubigkeit verworfen und stattdessen auf Humphry vertraut hatte: »Eis verhindert, dass die Luft in der Plastiktüte heiß und stickig wird …«
Auf dem Boden lag ein leerer Eiswürfelbehälter, und tatsächlich hatte sich Penderecki eine Plastiktüte über den Kopf gezogen. Nach Eintreten des Todes war sein Gesicht so stark aufgeschwollen, dass es die ganze Tüte ausfüllte und sich glitschig an das Plastik anschmiegte. Neben der Tür lag eine Flasche Wodka, und seitlich davon stand ein Teller mit einer Masse, die wie Schokoladenpudding aussah: »Pulverisieren Sie die von Ihnen gewählten chemischen Präparate und geben Sie sie in Ihren Lieblingspudding …«
Auf dem Pudding saß keine einzige Fliege. Caffery überzeugte sich davon, dass er keine Fußspuren hinterlassen hatte, schloss dann die Tür und fing an, das übrige Haus zu durchsuchen.
Penderecki war bereits in den Vierzigerjahren nach England gekommen – »wahrscheinlich im Gefolge der Konferenz von Jalta«, hatte Rebecca einmal klug angemerkt. Offenbar verstand sie etwas von den demographischen Verschiebungen, denen die Cafferys es zu verdanken hatten, dass dieser Penderecki sich genau auf der anderen Seite des Bahndamms auf einem Grundstück eingenistet hatte. Der gebürtige Pole war unverheiratet geblieben und hatte sich fanatisch eben jener Religion verschrieben, an die er am Ende seiner Tage den Glauben verloren hatte. Wie lange mochte seine Leiche jetzt schon dort oben hängen? Drei, vielleicht vier Tage – ohne dass jemand etwas bemerkt hatte. Immerhin denkbar, dass es in Polen noch jemanden gab – es hingen an der Wand ein paar gerahmte folkloristische Papierarbeiten, die von entfernten Verwandten stammen mochten. Ansonsten hatte Ivan Penderecki offenbar kaum persönliche Dinge besessen. Fast siebzig Jahre alt, und die einzigen Kinder, die in seinem Leben eine Rolle gespielt hatten, stammten aus fremden Familien.
Caffery hätte sogar die Wände eingerissen, wenn er sich davon den kleinsten Hinweis auf Ewan versprochen hätte, doch er fand in dem Haus keine einzige Spur. Er stieg auf den warmen staubigen Dachboden hinauf, doch abgesehen von einem verlassenen Wespennest, das an einem Balken klebte, gab es dort oben nichts zu entdecken. In einem der Schlafzimmer fand er einen Stapel Kataloge für Kindermode – nichts Gravierendes also. Penderecki war schließlich nicht blöde gewesen. Er hatte genau gewusst, dass es bei seinem Vorstrafenregister ein Leichtes gewesen wäre, beim geringsten Verdacht einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Doch von diesem relativ harmlosen Hinweis einmal abgesehen, fand Caffery nicht die geringste Spur.
Unten im Foyer drückte er auf die Wahlwiederholung des Telefons. In der onkologischen Abteilung des Klinikums in Lewisham schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Er wählte die Nummer 1471. Wieder die onkologische Abteilung. Jemand aus dem Klinikum hatte Penderecki vor drei Tagen angerufen. Seither hatte niemand mehr versucht, Ivan Penderecki zu erreichen. Und das war es dann auch schon.
Wo immer der alte Perverse das Häuflein Knochen, das früher einmal Ewan geheißen hatte, versteckt haben mochte, hier in diesem Haus jedenfalls nicht. Natürlich waren die Kataloge nur die Spitze des Eisbergs – das wusste Caffery nur zu genau. Es musste noch mehr geben als das – irgendwo. Aber genau darin hatte ja Pendereckis Genius bestanden: in der Fähigkeit, Dinge zu verbergen, Magazine und Videos und Fotos zu verbergen – und die Leiche eines kleinen Jungen.
13. KAPITEL
(22. Juli)
Zu Hause zog Caffery seine Kleider aus und steckte sie sofort in die Waschmaschine. Er wusste genau, wie man Kleider vom Geruch des Todes befreit. Rebecca schlief noch. Als sie aufwachte, spürte sie sofort, dass etwas passiert war. »Jack? Was ist los? Wo warst du?«
Er saß in seinen Boxer-Shorts schweigend auf dem Bett und rauchte eine Selbstgedrehte. Die Sonne drang durch die Vorhänge und zeichnete merkwürdige Formen an die Decke.
»O Gott.« Rebecca drehte sich auf den Rücken und ließ die Hände auf die Stirn sinken. Ihr Lidschatten war auf beiden Seiten völlig verschmiert und erinnerte an dunkle Augenringe. »Ist es wegen gestern Abend?«
Er schwieg. Er wusste einfach nicht, was er sagen
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