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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dort das Licht ein, sodass vorne auf dem Treppenabsatz plötzlich ein leuchtendes Rechteck erschien. Dann schaute er rasch in die übrigen Zimmer. Zwei der Räume waren völlig leer – bis auf eine Cola-Dose und einen kleinen Teppich auf den nackten Dielen. In dem dritten Zimmer hingegen schien Penderecki zu hausen.
    Auf der Matratze lagen völlig fadenscheinige, schmutzstarrende Betttücher, daneben ein Stapel Zeitungen, auf dem eine Tasse und eine leere Bohnendose abgestellt waren. Ein völlig schmuckloses Zimmer – bis auf ein Poster an der Wand gegenüber, auf dem zwei Jungen mit Strohhüten zu sehen waren. Die Knaben saßen auf einem Holzsteg, und einer von ihnen hatte dem anderen den Arm um die Schultern gelegt. Ein Foto aus den Siebzigern – die Sonne hatte damals noch eine andere Farbe gehabt: weicher und gelber als im dritten Jahrtausend. Die Jungen waren etwa so alt wie Jack und Ewan zu dem Zeitpunkt, als … Mein Gott, konnte er denn gar nichts anderes denken?
    Verdammte Scheiße – bringen wir es endlich hinter uns.
    Er presste sich das Sweatshirt an die Nase, trat wieder auf den Treppenabsatz hinaus, holte tief Luft und drückte die Klinke der Badtür herunter.
    Die Tür ließ sich mühelos öffnen. In der Mitte des hellgrün gestrichenen Raumes hing – von Fliegenschwärmen bedeckt – Ivan Penderecki.
     
    Sie wurde durch ein Kreischen geweckt. Benedicte richtete sich benommen im Bett auf. Ihr Puls raste, und auf ihrer Haut stand der nackte Schweiß.
    »Maaaaaaami!«
    »Josh?« Schlaftrunken kroch sie aus dem Bett und torkelte durch den Gang. »Komm ja schon, Süßer.« In seinem Schlafzimmer schaltete sie das Licht ein und blieb blinzelnd in der Tür stehen. Josh saß aufrecht am Kopfende seines Bettes und presste sich ein Kopfkissen gegen die Brust. Seine ausgestreckten Beine waren starr vor Schrecken. Die Haare standen ihm zu Berge, als ob ein Stromschlag ihn getroffen hätte. Er starrte auf eine Lücke zwischen den Vorhängen.
    »Mami – der Troll …«
    »Ist ja schon gut, Bärchen.« Benedicte trat ans Fenster und zog die Vorhänge beiseite. Das Fenster war geschlossen, und der Garten lag ruhig und dunkel da. Jenseits des Zaunes zeichnete sich in dunklem Violett die Silhouette des Brockwell Parks vor dem Nachthimmel ab. »Nein, hier ist nirgends ein Troll, Liebling. Weit und breit nichts zu sehen.« Sie machte die Vorhänge wieder zu, setzte sich zu Josh auf die Bettkante und legte die Hand auf seine kleine Stirn. »Alles Mamis Schuld. Warum hab ich dir auch diesen warmen Pyjama angezogen?« Sie versuchte, dem Jungen das Oberteil des Pyjamas über den Kopf zu ziehen. »Mein Gott, du bist ja völlig schweißgebadet, ich zieh dir schnell ein T-Shirt an …«
    »Nein!« Josh warf sich zurück, um das Fenster besser sehen zu können.
    »Komm, Liebling, es ist schon sehr spät, und Mami möchte dir doch bloß was anderes anziehen, damit du besser schlafen kannst.«
    »Neeeiiin!« Er entzog ihr seine Hände. »Er beobachtet mich. Er ist hier gewesen .«
    »Josh, ich glaube, du hast geträumt – wie soll denn der Troll hier heraufkommen? Du bist doch ganz weit oben in der Luft, hier kann dir nichts passieren.«
    »Alles in Ordnung, kleiner Mann?« Hal stand in der Tür und blinzelte wie eine verschlafene Katze.
    Benedicte drehte sich um. »Oh, Hal, tut mir Leid, dass du aufgewacht bist …«
    »Schon in Ordnung.« Er musterte seinen Sohn, der kerzengerade im Bett saß und das Kissen an sich drückte. »Was ist denn los, Süßer?«
    »Er meint, dass er den Troll gesehen hat …«
    »Er war wirklich hier!«
    »Er hat den Troll am Fenster gesehen – du weißt schon, den Mann aus dem Park.«
    »Ach so – hm.« Hal trat an das Bett und küsste seinen Sohn auf den Kopf. »Soll ich mal nachsehen, ob er weg ist?«
    Josh nickte.
    »Ooooh.« Hal ging ans Fenster, pfiff leise, presste seine Nase gegen die Scheibe und sah dann in den Garten hinunter. Er verdrehte den Kopf und tat so, als ob er alles ganz genau inspizierte. Nach einigen Sekunden wandte er sich lächelnd wieder um. »Okay, du brauchst keine Angst mehr zu haben, er ist weg.«
    »NEEEEIIIN!!« Josh fing an zu weinen. » So kannst du ihn ja gar nicht sehen , er versteckt sich unter dem Fenster. Du musst das Fenster aufmachen, sonst kannst du ihn nicht sehen.«
    Hal seufzte, zog die Vorhänge zur Seite und entriegelte den Fenstergriff. Er stützte sich auf seine Hände und beugte sich ein Stück aus dem Fenster. Die Luft war weich – eine

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