Die Behandlung: Roman (German Edition)
sich der Korken mit einem leisen »Plopp« aus der Flasche, und Benedicte füllte die beiden Sektflöten. »Champagner?«
»Ach, Ben.« Ayo machte das Fenster zu und setzte sich auf das Sofa. »Vermutlich sollte ich nicht mal an Champagner denken – ist doch nicht gut für das Baby.«
»Ach, Unsinn. Ich hab auch gelegentlich einen Schluck getrunken, als ich schwanger war.«
»Echt? Na gut, wenn du meinst.«
»Ist bestimmt nicht so schlimm, wie der ganze Scheiß, den sie einem in der Klinik erzählen.«
»Ja, das stimmt. Ich habe genaue Instruktionen erhalten: keine Chemotherapie, keine Röntgenaufnahmen, kein Ribavirin.« Sie streckte ihre Beine aus und ließ das Kinn auf die Brust sinken. »O Gott, ich weiß schon gar nicht mehr, wie meine Füße früher ausgesehen haben. Und schau dir mal meine Brüste an. Darren ist schon völlig außer Rand und Band. Ah …« Sie nahm das Glas, das Benedicte ihr anbot, entgegen und stellte es vorsichtig auf ihren Bauch, während sie Josh von der Seite beäugte. »Ben?«, sagte sie dann unschuldig.
»Ja?«
»Hat er dir auch so auf die Blase gedrückt? Musstest du auch jede Nacht zwanzigmal aus dem Bett?«
»Maaa-miii.« Josh richtete sich im Liegen halb auf. »Müsst ihr denn die ganze Zeit quatschen ?« Er hob die Hand und ließ die Finger auf und zu schnappen. »Bla bla bla bla bla.«
Ayo stieß ihn sanft mit dem Fuß an. »Kleiner Klugscheißer.«
Josh kicherte, drehte sich auf den Rücken und tat so, als ob er sie treten wollte. »Bla bla bla bla.«
»Hilfe!« Sie versuchte, sich in gespielter Angst aufzurappeln und verschüttete dabei etwas Champagner. »Hilfe, Ben, dein Sprössling will mich treten.«
»Tja, ein bisschen hyperaktiv, der Kleine, vielleicht sollten wir es mal mit’ner Therapie versuchen.« Benedicte half Ayo auf die Beine und brachte sie vor Josh in Sicherheit. »Komm – wenn du nichts dagegen hast, möchte ich jetzt mal ein bisschen mit unserem neuen Haus angeben. Zuerst zeig ich dir das Zimmer, das mein Leben von Grund auf verändern wird.«
Die zwei Frauen gingen mit den Champagnergläsern in der Hand kichernd die Treppe hinauf. Josh rief ihnen noch ein paar Verwünschungen hinterher. Smurf folgte ihnen, und diesmal ließ Ben den Hund ausnahmsweise gewähren. »Be-en«, flüsterte Ayo, als sie oben angekommen waren. »Ben, was sagst du zu dieser Geschichte? Du weißt schon, die Sache mit dem kleinen Jungen im Park.«
»O Gott.« Ben schaltete oben am Treppenabsatz das Licht ein. »Einfach grauenhaft. Ich bin echt froh, dass wir uns morgen nach Cornwall absetzen.« Erst vor wenigen Stunden hatte sie im Fernsehen gehört, dass zwei Besatzungsmitglieder eines Polizeihubschraubers wegen des Vorfalls ihren Job verloren hatten. Sogar die BBC hatte sich am Ende der Nachrichten fünf Minuten mit dem Fall befasst. Doch am schlimmsten fand Ben eine Videoaufnahme, die von einem Hubschrauber aus gemacht worden war. Ein Fernsehteam hatte am Tag nach der Entführung aus der Luft die Suchtrupps der Polizei unten im Park gefilmt. Bei einer genauen Analyse der Aufnahmen hatte man später angeblich sogar Rory Peach auf den Bildern entdeckt. Die TV-Leute hatten in einem Baum einen winzigen hellen Flecken ausgemacht und die Stelle auf dem Bildschirm mit einem Kreis markiert, damit jeder Zuschauer genau wusste, wohin er starren musste. Benedicte hatte sich nur angewidert abgewandt. »Ehrlich gesagt, möchte ich am liebsten gar nicht mehr darüber nachdenken. Ich hab mich damit schon genug gequält.« Sie schob sich das Haar hinter die Ohren und lächelte Ayo an. »Komm, wechseln wir das Thema, okay? Und jetzt zeige ich dir« – sie legte feierlich die Hand auf den Türknauf und sah ihre Freundin bedeutungsvoll an – »das Zimmer, das mein ganzes Leben verändern wird.« Sie öffnete die Tür. »Trara!«
Ayo spähte in den Raum – vier nackte cremefarbene Wände, blaue Vorhänge und ein blauer Lampenschirm, der in der Mitte des Zimmers von der Decke herabhing. Man konnte die frische Farbe und den Kleber des Teppichbodens noch riechen. »Toll«, sagte sie lächelnd, »sehr hübsch.«
» Hübsch ist natürlich noch sehr übertrieben.« Benedicte verzog das Gesicht und knuffte Ayo in den Arm. »Aber ich hab bisher noch nie einen Raum gehabt, wo ich mich mal zurückziehen kann. Und das« – sie machte die Tür wieder zu und öffnete gleich daneben die nächste, dann beugte sie sich ein wenig nach vorne und schaltete das Licht ein – »das ist das
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