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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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mir? Draußen vor der Toilette huschte eine riesige dunkle Gestalt durch den Flur. Sie blickte auf.
    »Smurf?«
    Keine Antwort.
    »Josh?«
    Doch der konnte sie natürlich nicht hören. Er saß ja im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Statt sich weiter den Kopf zu zerbrechen, setzte sie sich einfach auf den Fußboden, stützte den Kopf in die Hände und überlegte, warum ihr Mund so trocken war. Etwas berührte ihre Schulter.
    Hal?
    »Hast du nicht gesagt, dass du unbedingt ein eigenes Zimmer willst?«
    Hal?
    »Dann geh jetzt hübsch in dein Zimmer!«
    Zimmer. Welches Zimmer? Was redet er denn da von einem Zimmer?
    »Los, komm schon.« Ein grelles Licht. Es kam ihr vor, als ob ihre Oberarme in einem Schraubstock steckten. »Lass mich nur ein bisschen ausruhen, Hal, dann geht es schon wieder.« Sie verspürte stechende Schmerzen im Rücken, als ob sie immer wieder auf einen harten Holzfußboden prallen würde. Das Licht blendete sie, und als sie etwas sagen wollte, hörte sie ihre eigene Stimme wie aus weiter, weiter Ferne. »Hal?« Sie konnte nicht sprechen – ihre Zunge schien plötzlich den ganzen Mund auszufüllen. »Kannss du bi …« Sie wollte Josh rufen, brachte aber keinen Ton heraus, hatte das Gefühl, ihn irgendwo schluchzen zu hören, obwohl ihr Kopf rhythmisch gegen etwas Hartes schlug. Peng, peng, peng! Und ihre Arme taten so weh.
    »Hilfe, Mami, der Troll ist hier – Hiiilfe! Bitte!«
    Der Troll? Was …?
    Dann sah sie etwas Dunkles über sich. Ein Gesicht – mit glasigen, triefenden Augen.
    »NEIIIIN!« Sie wurde durch ihr eigenes Kreischen geweckt, befand sich irgendwo in einem dunklen, stillen Raum, während ihr Jammern von den nackten Wänden widerhallte.
     
    Souness hatte ein wohl gehütetes Geheimnis: Manchmal spielte sie zu Hause Pressekonferenz. Bei diesen Gelegenheiten saß Paulina abends mit gekreuzten Beinen in ihrem Negligé oben auf dem Tisch, hielt eine Tasse Ovomaltine in der Hand und brüllte ihr irgendwelche Fragen entgegen: »Inspector Souness …« Paulina liebte diese Rolle. Manchmal hielt sie Souness sogar den Griff eines Tennisschlägers vor die Nase. »Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass die Polizei den Brockwell Park gründlicher hätte durchsuchen müssen?«
    Souness stand in ihrem Pyjama vor dem Tisch, stemmte die Hände in die Hüften und studierte gehorsam ihre Antworten ein. Paulina war eine strenge Prüferin. » Nein! Du musst mehr Gefühl zeigen, mich davon überzeugen, dass es dir ernst ist.«
    » Was? Soll ich hier vielleicht noch anfangen zu heulen ? Ich stell mich doch nicht vor acht Millionen Zuschauer und fang an zu flennen – ich bin doch kein verdammter Ami , wenn du weißt, was …«
    An diesem Morgen hatte sich die harte Probenarbeit ausgezahlt: Sie hatte eine gute Vorstellung geboten, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Und als sie dann vor der versammelten Medienmeute kundgetan hatte, dass man Rorys Mörder schon sehr bald überführen werde, war das ihr völliger Ernst gewesen. Gegen 11 Uhr kreuzte sie im Büro auf und hätte am liebsten ein Liedchen geträllert. Umso überraschter reagierte sie, als sie feststellte, dass ihr Büro von innen verschlossen war.
    »Jack?«
    Sie spähte durch die Glasscheibe und sah ihn mit der Brille auf der Nase und den Füßen auf dem Schreibtisch auf ihrem Stuhl hocken und an der Fernbedienung herumfingern. Der Bildschirm war von der Tür abgewandt. Souness klopfte an das Fenster.
    Er hob den Kopf, schaltete den Fernseher aus, nahm die Brille ab, kam zur Tür und schloss auf.
    »Alles klar?«
    »Ja – nur hundemüde.«
    »Hm – und nach Fusel stinken Sie auch. Was schauen Sie sich denn da an?«
    »Nichts. Irgend so’ne Seifenoper.«
    »Seifenoper?« Sie zog ihren Piepser vom Gürtel, warf ihn auf den Schreibtisch und öffnete das Fenster. »Würden Sie bitte so lieb sein und das den Kollegen nicht unbedingt unter die Nase reiben?«
    »Natürlich nicht.« Er setzte sich an den Schreibtisch und schob sich eine Ladung Pfefferminzpastillen in den Mund.
    Souness hatte plötzlich Mitleid mit ihm – der Mann sah fix und fertig aus. Sie stand hinter ihm und kraulte ihm teilnahmsvoll das Haar. »Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist, Jack?«
    »Ja, bin ich.«
    »Irgendwas zu vermelden?«
    »Ja – ich hab hier ein paar Abzüge …« Er rieb sich die Augen, rappelte sich auf seinem Stuhl auf und reichte ihr eine Mappe.
    »Abzüge – um Himmels willen.« Sie nahm die Mappe und schüttelte die Fotos heraus. »Wieso hab ich

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