Die Behandlung: Roman (German Edition)
in den Wagen legte und die Flasche Malt-Whisky in einer Plastiktüte auf dem Rücksitz verstaute. Pendereckis Krempel räumte er einfach in das Kämmerchen unter der Treppe – bis auf die Videokassetten und die Disketten, die er mit nach Shrivemoor nahm.
Das Revier war wie ausgestorben. Er schaltete sämtliche Neonröhren ein, spülte in der Küche eine große Tasse aus, schenkte sich reichlich Malt ein, ging dann in sein Büro und beobachtete die Scheinwerfer, die sich unten auf der Straße langsam vorbeischoben.
Na, Jack, da hast du ja mal wieder was Schönes angerichtet …
Was er getan hatte, entsprach dem Tatbestand der Vergewaltigung. Dabei hatte er nur grüne Ampeln vor sich gesehen, bis zu jenem Nein . Aber er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, nach Entschuldigungen suchen – eines blieb davon völlig unberührt, nämlich dass er Rebecca vergewaltigt hatte. Ja, er hatte sie verletzt, sogar ihr Mund hatte geblutet. Tja, vielleicht hatte sie ja tatsächlich Recht, vielleicht hatte sie ihm nur beweisen wollen, dass er sich nicht beherrschen konnte. Er stöhnte auf und stützte den Kopf in die Hände. Es gab so viele Spiele, die man spielen konnte – so viele Schwierigkeiten.
Bis in die frühen Morgenstunden saß Caffery an seinem Schreibtisch, starrte aus dem Fenster und füllte sich mit Laphroaig und Londoner Leitungswasser ab, während die Stadt ringsum sanft schlief.
Hal Church stand früh auf und zog seine blauen Shorts und ein T-Shirt an. »Typisch Tourist«, sagte er zu seinem Spiegelbild. »Ja, ein Tourist mittleren Alters.« Er machte eine Runde durch das Haus, schloss in sämtlichen Räumen die Fenster, aktivierte die Alarmanlage und legte seinen Mitgliedsausweis der Automobile Association auf das Armaturenbrett des Daewoo. Er blieb einen Augenblick in der Garage stehen: Es roch dort nach einem Gemisch aus frischer Farbe, Lack und Benzin. Unter dem Schiebetor konnte er einen Streifen Sonnenlicht erkennen, und auf dem Rücksitz waren bereits die Kühlbox und Joshs alte Pokémons verstaut. Ja, jetzt war er also erwachsen und fuhr mit seinem Kind und seiner Frau in die Ferien. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass das Leben wie im Flug an ihm vorbeirauschte, und ihm wurde fast schwindelig bei der Vorstellung, wie schnell alles ging. Wo blieb nur die Zeit – das Leben?
Gegen 8 Uhr lag der Garten bereits in gleißendem Sonnenlicht – darüber ein unermesslicher tiefblauer Himmel. In Joshs Planschbecken trieb eine dünne Schicht aus toten Insekten und Grashalmen. Hal kippte das Wasser aus dem flachen Wasserbehältnis. »Los, komm schon, Smurf.« Er zog den Labrador, der sofort anfing, von dem Wasser zu schlecken, am Halsband hinter sich her. »Zeit für unseren Spaziergang, altes Mädchen.«
Als die beiden wieder nach Hause kamen, saß Josh in der Küche und schaufelte mit einem großen Löffel Cornflakes in sich hinein. Er hatte zur Feier des Tages sein Obi-Wan-Kenobi-T-Shirt angezogen. Benedicte hatte sich mit Hals grauem Cordhemd, ihren Kaki-Shorts und weißen Segelschuhen herausgeputzt und war gerade dabei, eine Dose Mandarinen aufzumachen.
»Morgen.« Er gab Josh einen Kuss auf den Kopf. Sein Filius aß grunzend weiter. »Morgen, Liebling.« Er hauchte Benedicte einen Kuss auf die Wange. »Gut geschlafen?«
»Ja.« Sie kippte die Mandarinenschnitze in eine Glasschüssel und stellte sie vor Josh auf den Tisch, der finster dreinblickte. Hal hängte Smurfs Leine hinter der Tür an den Haken und beobachtete Benedicte aus den Augenwinkeln. Sie war aufgebracht, das war nicht zu übersehen. Er beobachtete, wie sie mit ihrer Kaffeetasse zum Kühlschrank ging, an der Milch roch, die Stirn in Falten legte, die Flasche gegen das Licht hielt und leicht hin und her schwenkte. Dann goss sie sich etwas Milch in den Kaffee und drehte sich nach ihm um. »Hal.«
Jetzt kommt es also, dachte er. »Ja?«
»Hal, hast du Smurf wieder nach oben gelassen?«
»Was?«
Benedicte seufzte. Sie war ziemlich schlecht gelaunt, und es gab vor der Abfahrt noch so viel zu erledigen. Als sie nach dem Aufstehen ins Bad gegangen war, hatte sie nämlich etwas entdeckt, worüber sie sich irrsinnig geärgert hatte.
»Der Hund ist oben gewesen und hat in meinen Wäschekorb gepisst.« Hal und Josh sahen sich an. Josh unterdrückte ein Kichern, womit er seine Mutter nur noch mehr reizte. »Das ist überhaupt nicht witzig. Wenn sie noch mal unser ganzes Bett voll pisst, dann kannst du hinterher sauber
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