Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
lange und ist selbst eine Frau. Trau dich, sie wird dich schon nicht fressen. Ich muss mal darüber nachdenken. Es tut mir schrecklich leid, dass du so über dich selbst denkst. Weil ich sehe da etwas ganz anderes – und das ist nicht nur eine Täuschung, da irrst du dich. Ich habe im Moment keine Ahnung, wie und ob ich dir irgendwie helfen kann. Es wird keinen Sinn haben, mit diesem kranken Typ zu reden. Das Problem ist eigentlich nicht er – das richtige Problem sitzt in Deinem Kopf. So lange das so ist, werden er oder Kerle wie ich es immer leicht haben. Wie gesagt, Opferrolle.“
Alex erhob sich. „Ich muss los. Ich rufe dich morgen an. Morgen habe ich zu tun, aber vielleicht können wir uns übermorgen wieder sehen. Was meinst du?“
Lynn stand auch auf: „Wäre toll. Vielen Dank für's herkommen. Das war wirklich lieb von dir.“ Sie verabschiedete sich mit einem Kuss auf die Wange von ihm und er ging.
Was Alex gesagt hatte, war schwer zu verdauen. Aber er hatte leider nicht unrecht. Lynn wusste das. Nur was brachte das genau? Welche Konsequenzen sollte sie jetzt daraus ziehen und vor allem wie? Sie sollte Therese anrufen, auch hiermit hatte er Recht. Aber wenn Lynn ehrlich war, dann hatte sie etwas Angst vor der Reaktion ihrer Freundin. Das was Alex ihr an den Kopf geworfen hatte, war vermutlich noch harmlos im Vergleich dazu, was sie von Therese zu hören bekommen würde.
Lynn fühlte sich müde, unendlich müde. Sie rollte sich wieder in ihrem Bett zusammen. Mist, sie hatte Merlin vergessen. Mühsam quälte sie sich wieder hoch, um den Kater zu füttern. Das Katzenklo müsste auch dringend wieder geputzt werden. Sie fühlte sich zu ausgelaugt und so holte sie mit der kleinen dafür vorgesehenen Schaufel nur die offensichtlichen Haufen heraus und verschob das richtige Putzen auf morgen. Wieder zurück im Bett schlief sie schnell ein.
Wieder träumte Lynn von Blut. Jede Menge Blut. Überall in ihrem Schlafzimmer war alles über und über mit Blut beschmiert, instinktiv wusste sie, dass es ihr eigenes war. Mitten im Raum stand Cedric, wischte sich mit dem Handrücken über den blutigen Mund und lächelte. Sie wusste, er hatte wieder das bekommen, was er wollte und er war zufrieden. Es war ihr unangenehm, dass er in ihrer Wohnung war. Sie wollte ihn nicht hier haben, das war ihr Refugium, hier sollte sie sicher sein und er keinen Zutritt haben. Sie wusste auch nicht wie er hereingekommen war.
Lynn riss die Augen auf und sah sich um. Nichts, nur die gewohnte Umgebung. Außer ihr war hier niemand.
Am nächsten Morgen stand Lynn früh auf und zwang sich, ein paar Bissen zum Frühstück zu essen. Sie musste zum Arzt, um sich krank schreiben zu lassen. Das Wartezimmer war brechend voll. Lynn wartete geduldig in der Schlange vor der Anmeldung bis sie an der Reihe war. Die Arzthelferin sah sie an: „Bitte?“ „Ich fühle mich nicht gut und bin seit gestern im Krankenstand.“ erklärte Lynn. „Kann ich das gleich bei Ihnen machen?“ „Nein, da müssen Sie schon zum Herrn Doktor hinein“ meinte die Frau und deutete mit dem Kopf auf das Behandlungszimmer. „Na gut“ Lynn verdrehte die Augen. Im Grunde fühlte sie sich nur schwach und hatte leichte Kopfschmerzen. Nichts, was ein Arzt sich ansehen müsste. Sie durfte dem Arzt auf keinen Fall ihre geschundene Haut zeigen. Lynn überlegte, wie sie eine genauere Untersuchung vermeiden konnte.
Nach einer weiteren halben Stunde des Wartens wurde Lynn aufgerufen. Der Arzt kannte sie schon seit ihrer Kindheit und begrüßte sie: „Hallo Lynn, wie geht’s? Sie sehen aber gar nicht gut aus, sehr blass.“ Sie erklärte ihm, dass sie sich nicht wohl fühlte und er sagte: „Zuerst wollen wir mal den Blutdruck messen und dann werde ich Sie abhören und in den Hals hineinschauen.“ Als der erste Teil der Untersuchung beendet war, schob er seine Brille auf die Stirn und meinte: „Naja, der Blutdruck ist ungewöhnlich niedrig. Das verstehe ich nicht. Sie hatten doch sonst eher zu hohen Blutdruck. Im Hals ist alles in Ordnung und auch sonst konnte ich nichts entdecken. Was haben Sie denn da übrigens am Hals, ist das eine Wunde?“ Lynn zuckte zusammen. „Das ist nichts. Hab mich nur ungeschickt ein wenig verletzt aber das ist schon fast verheilt.“
Er schnappte sich sein Stethoskop: „Dann wollen wir Sie mal abhören.“ Lynn wusste nicht was sie sagen sollte und schrie fast panisch: „Nein, nicht nötig. Ich habe keinen
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