Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
begreifen, sonst kann ich dir überhaupt nicht helfen. Irgendetwas muss Deine, nennen wir es mal übertriebene Kooperationsbereitschaft, doch auslösen. Wo bleibt denn Dein Selbstbewusstsein, Deine Selbstachtung? Du sagst jemandem, dass du etwas Bestimmtes nicht willst und derjenige hat sich danach zu richten. Sonst überschreitet er eine Grenze, über die er nicht gehen darf. Wenn jemand das trotzdem tut, dann zeigt er ganz deutlich, dass es ihm an Respekt und Achtung dir gegenüber als Mensch mangelt. Es liegt an dir, diesen Respekt einzufordern oder denjenigen aus Deinem Leben zu entfernen. So einfach ist das.“
„Einfach. Ist ja ganz einfach, soso.“ sagte Lynn zynisch.
„Ja das ist es, im Prinzip wäre es ganz einfach.“ stellte Therese fest. „Nur funktioniert das anscheinend bei dir trotzdem nicht.“
„Selbstachtung, Selbstbewusstsein, Respekt!“ brach es aus Lynn heraus. Sie steigerte sich hinein und fing an zu schreien: „Jeder erzählt mir irgendeinen logischen Mist zu diesem Thema. Klingt ja alles ganz toll, für normale Menschen vielleicht. Aber nicht für mich. Ich bin nicht so, ich kann das nicht! Bei dir funktioniert das vielleicht, du warst immer schon ganz anders als ich. Wovor sollte ich oder sonst jemand Respekt haben? Vor dem, was da vor dir sitzt? Ich bin nicht die Art Frau, vor der man Respekt hat. Ich bin schon dankbar, wenn ich ein wenig Aufmerksamkeit bekomme. Genau das ist es, warum ich so reagiere und Cedric nicht abweisen kann. Ich bin nicht blöd und ich weiß, dass er sich nur das holt, was er will und dann abhaut. Aber davor gibt er mir die Illusion von etwas Schönem, von einer Frau, die ich gerne wäre, von jemandem ganz anderen.
Kennst du die Frauen in der Waschmittelwerbung oder aus diversen Frauenzeitschriften? Die sind ewig jung, hübsch, gepflegt, sind wunderbare Mütter für ihre Kinder, perfekte Geliebte für ihre Männer, haben eine gute Ausbildung, schaffen locker einen stressigen Job und einen Top-Haushalt noch nebenbei. So werde ich nie sein. Das wäre aber das Mindeste, das ich bieten müsste, um mich aufzuwerten. Um meinen Wert auf einen für mich annehmbaren Level zu bringen. Das ist die Art von Frauen, die sich Respekt verschaffen können. In meinem Kopf müsste ich auf 300 Prozent laufen um nur 50 Prozent meiner Daseinsberechtigung zu erhalten. Genau diesen Knopf findet und betätigt Cedric immer wieder. Natürlich merke ich das, sicher mache ich mir darüber Gedanken. Aber genau an dem Punkt, wo Worte wie Selbstachtung und Respekt einsetzen, setzt mein Gehirn aus. So ist das.“ Lynn raufte sich völlig außer sich die Haare bis sie völlig zerzaust von ihrem Kopf abstanden.
Therese drückte ihre Hand. „Das ist aber so nicht richtig, und das weißt du auch. Du musst etwas unternehmen und zwar schnell. Ich denke, dass da ein Profi ran muss. Das geht weit über Hausfrauenpsychologie hinaus. Ich kenne da jemanden, der dir vielleicht helfen kann.“
„Blödsinn, ich brauche keine Hilfe. Das ist ja alles schließlich nichts Neues. Ich kriege das schon irgendwie hin.“ knurrte Lynn. „Nein, tust du nicht.“ Therese's Tonfall klang streng. „Ist dir eigentlich schon aufgefallen wie viel du in den letzten Wochen abgenommen hast?“ Lynn sah an sich herab. „Abgenommen? Nein, ist mir nicht aufgefallen. Ist doch gut, oder? Das will ich doch schon seit Jahren.“ Therese widersprach: „Aber doch nicht so. Nicht so schnell und nicht, weil es dir nicht gut geht.“
Sie fuhr fort: „Und es geht dir nicht gut, das sieht ein Blinder. Wenn das ein normaler Flirt wäre, würde ich ja nichts sagen. Ich lasse ja schließlich auch nichts anbrennen. Oder wenn man das als eine Art Agreement sehen könnte – er gibt dir etwas und du ihm – dann wäre das ja auch in Ordnung. Aber du wirkst tatsächlich so, als ob er dir Energie abzapfen würde. Als ob das Blut, das er von dir trinkt, dich nicht nur körperlich, sondern auch emotional noch weiter schwächen würde. Du bist ihm ja hörig wie ein Zombie und das scheint nicht besser, sondern eher noch schlechter zu werden. Ich bitte dich, versuche das mit dem Therapeuten wenigstens. Falls es nicht hilft, so wird es wenigstens nicht noch mehr schaden. Versprich es mir, bitte!“
Lynn passte das ganz und gar nicht. Es war schon schwer genug, ihrer Freundin zu erklären, was da passierte. Mit einem völlig Fremden darüber zu reden, kam ihr noch eigenartiger und schwieriger vor. Therese
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