Die beiden Seiten der Münze (German Edition)
Therese anzurufen und mit ihr zu reden, aber wie hätte sie erklären sollen, warum sie wieder zu Cedric gegangen war? Sie musste das erst mal mit sich selbst klären, das würde schwierig genug werden.
Lynn untersuchte die Wunde an der rechten Schulter. Sie sah ähnlich aus wie die, die Cedric ihr das letzte Mal beigebracht hatte, an den Rändern leicht ausgefranst, rot und geschwollen. Lynn achtete beim duschen darauf, dass kein Duschgel in die frische Wunde kam und verband sie anschließend. Dann blickte sie auf das ältere Bissmal am Hals, es war fast verheilt. Im Büro hatte sie ein Halstuch getragen, niemand hatte etwas bemerkt. Die Wunde an der Schulter würde niemandem auffallen. Lynn fühlte sich müde und ausgelaugt. Sie rollte sich auf ihrem Bett zusammen und versuchte zu schlafen.
Lynn stand bald wieder auf und ging ins Badezimmer. Sie hatte ein unangenehmes Gefühl von Unreinheit und Schmutz, obwohl sie gerade erst geduscht hatte. Sie ließ das Wasser der Dusche laufen und wartete bis es ganz heiß war und dampfte. Dann stellte sie sich unter den Wasserstrahl. Das Wasser war viel zu heiß und brannte auf ihrer Haut. Sie fing wieder an, ihren Körper zu schrubben, doch es schien ihr, als sei das nicht genug. Nass wie sie war, lief sie in die Küche und wühlte in den Schubladen bis sie fand was sie suchte, Stahlwolle.
Lynn rannte wieder zurück unter die Dusche. Man konnte mittlerweile aufgrund der Dampfwolken fast nichts mehr sehen, doch das war gar nicht nötig. Sie begann, ihren Körper mit der Stahlwolle abzureiben, erst zögerlich, dann immer stärker. Sie hörte erst auf als die Haut am ganzen Körper wie Feuer brannte.
Als sie sich abtrocknete, schmerzte jede Berührung mit dem Handtuch. Sie sah mit einer gewissen perversen Befriedigung auf ihre Haut. Sie war dunkelrot, teilweise mit Kratzern und blutenden Striemen übersäht. Lynn fühlte sich nun etwas sauberer, wenngleich das nicht enden wollende Gefühl unrein zu sein, nicht ganz verschwand.
Nach einigen Stunden des vor sich Hinstarrens schlief sie endlich ein.
Als Lynn erwachte, war das Schlafzimmer in helles Licht getaucht. Ein Blick auf die Uhr genügte um zu wissen, dass es fast Mittag war. Sie hatte verschlafen. Siedend heiß fiel ihr die EDV-Schulung im Büro ein. Sven würde sie töten. Lynn versuchte aus dem Bett zu springen, doch ihre Beine gaben nach. Schwach zog sie sich wieder auf das Bett und ließ sich hineinfallen. Sie fühlte sich elend. Mit zittrigen Händen suchte sie nach ihrem Handy und wählte die Nummer vom Büro. Am Display sah sie 5 Anrufe in Abwesenheit. Die Empfangsdame verband sie mit Sven. „Wo zum Teufel steckst du?“ Sven war wirklich sauer. „Tut mir leid, ich bin krank“ stammelte sie. „Und da konntest du nicht gestern Abend oder heute Morgen anrufen? Ich stand da wie ein Idiot, konnte dich nicht erreichen und musste den EDV-Typen schließlich wieder mit einer Ausrede wegschicken.“ Sven schrie fast. Tränen schossen in Lynn's Augen. „Tut mir wirklich leid“ war alles was sie hervorbrachte bevor sie anfing zu schluchzen. „Was ist mir dir los?“ wollte er wissen. „Du bist doch sonst nicht so unzuverlässig.“ Ihr Weinen schien ihn aus dem Konzept zu bringen. Sie wusste, dass die meisten Männer es hassten, wenn Frauen heulten, war aber nicht imstande aufzuhören. Sie wiederholte noch einmal: „Entschuldige bitte, tut mir schrecklich leid, ich weiß nicht...“ Sven unterbrach sie „Okay, jetzt ist es ohnehin schon egal. Geh zum Arzt und kuriere dich aus. Melde dich bitte, wenn du weißt, wann du wieder kommst.“ „Ja, mach ich“ flüsterte sie, dann legte er auf.
Lynn legte sich wieder ins Bett zurück, zog sich den Polster über den Kopf und versuchte den Gedanken an die ganze Welt dort draußen zu verdrängen. Das gelang ihr nicht. Immer wieder rotierten die gleichen Fragen wie gestern in ihrem Gehirn.
Ihr Körper war von der groben Behandlung mit der Stahlwolle völlig wund und sie fühlte sich fiebrig. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass es richtig gewesen war. Wenn das möglich gewesen wäre, hätte sie sich am liebsten die ganze Haut abgezogen.
Alex. Sie musste mit Alex sprechen. Lynn war noch nie gut darin gewesen alleine nachzudenken. Sie brauchte einen Gegenpart dazu, sie musste ihre Gedankengänge ausformulieren, um sie zu ordnen und sich darin zurecht zu finden. Das gelang nur mit einem geeigneten Gesprächspartner. Lynn wählte Alex's
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