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Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Titel: Die beiden Seiten der Münze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Ladan
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vergessen, dass ich morgen Geburtstag habe. Deshalb erinnere ich dich hiermit daran und lade dich zum Abendessen ein. Ich erwarte, dass du kommst.“
     
    Natürlich hatte Lynn den Geburtstag ihrer Mutter völlig verschwitzt. Sie versuchte, nicht allzu genervt zu klingen als sie antwortete: „ Ja sicher komme ich. Ich habe es nicht vergessen und wollte dich ohnehin morgen anrufen.“ „Ja, natürlich wolltest du das.“ Der Zynismus in der Stimme ihrer Mutter war nicht zu überhören.
     
    Nachdem das Telefonat beendet war, besprachen die beiden Freundinnen was Lynn ihrer Mutter schenken könnte. Doch außer Geistesblitzen wie einem Maulkorb oder einem Lack- und Lederoutfit (alleine bei der Vorstellung an Lynn's Mutter in so einem Outfit, kugelten sich beide vor Lachen) fiel ihnen leider nichts ein. Lynn würde also morgen Vormittag in das nächstgelegene Einkaufszentrum fahren und wie jedes Jahr einen Verlegenheitskauf tätigen, der ihrer Mutter dazu veranlassen würde, missbilligend die Augenbrauen anzuheben.
     
    Gegen Abend verabschiedete sich Therese, nicht ohne Lynn noch einmal an den morgigen Termin beim Therapeuten zu erinnern. „Rufst du mich an und sagst mir, ob es gut gelaufen ist?“ „Sicher, das mache ich“ versprach Lynn.
    Lynn machte sich bettfertig. Bevor sie dazu kam, sich hinzulegen bekam sie eine SMS. Die Nachricht war von Cedric. Als ob er die letzten Stunden dabei gewesen wäre, stand da: Zerbrich dir nicht so viel den Kopf. Mach nicht alles komplizierter als es ist. Keiner außer uns beiden kann verstehen was uns verbindet. Cedric.
     
    Lynn starrte auf das Display. Was schrieb er da bloß? Als ob er in ihrem Kopf herumgekrochen wäre, dieses Gefühl hatte sie bei ihm öfter. Sie versuchte diesen Gedanken wieder ins Reich der Phantasie und Spinnerei zu verbannen. So etwas gab es nicht. Sollte sie etwas zurück schreiben? Nein, besser nicht, sie hätte auch gar nicht gewusst was sie schreiben sollte.
     
    Die folgende Nacht brachte wieder schreckliche Träume. Lynn irrte in Cedric's Wohnung umher, es war dunkel und kalt. Sie hatte Angst und wollte weg, konnte die Eingangstür aber nicht finden. Sie trug nur ihr Schlafshirt und war barfuss. Sie durchquerte einen Raum nach dem anderen, hinter jeder Tür vermutete sie einen Angreifer und zuckte beim leisesten Geräusch zusammen. Dann sah sie ein Licht hinter einer angelehnten Tür. Vorsichtig schlich sie zur Tür, um diese leise zu öffnen als sie etwas Warmes an ihren Fußsohlen spürte. Sie sah zu Boden und bemerkte, dass sie in einer Blutlache stand. Das Blut rann unter der Tür hervor. Trotz ihrer Angst machte Lynn die Tür weiter auf und sah einen weiblichen Körper auf dem Boden liegen. Sie näherte sich langsam, um die Frau genauer zu sehen. Lynn kniete sich vor dem Körper auf den Boden und drehte den Kopf zu sich. Sie sah in ihr eigenes totes Gesicht, das mit geweiteten blicklosen Augen vor sich hinstarrte. Sie hatte plötzlich keine Angst mehr, jetzt war alles vorbei. Lynn wurde ruhiger und erwachte.
     
    Nach dieser weiteren unruhigen Nacht voller blutiger Träume – Lynn fragte sich, ob sie sich irgendwann daran gewöhnen würde – stand sie beim Läuten des Weckers auf und machte sich für die Therapiesitzung fertig.
     
    Was zog man denn bei so etwas an? Sollte sie darauf achten, seriös zu wirken damit der Psychologe sie nicht gleich als Spinner einordnete? Oder war das ohnehin egal? Sie schlüpfte in eine schwarze Jeans und staunte als sie bemerkte, dass die Hose die vor kurzem noch sehr eng war und gespannt hatte, locker auf ihren Hüften saß. Sie hatte tatsächlich abgenommen. Wenigstens etwas Gutes hatte die ganze Sache. Als sie überlegte fiel ihr ein, dass sie in der letzten Zeit wirklich kaum etwas gegessen hatte. Das war ihr vorher noch nie passiert, nicht einmal zur Zeit ihrer Scheidung.
     
    Sie zog die Hose mit einem Gürtel enger und zog eine lange schwarze Bluse darüber an. Als sie ihre Haare bürstete, fielen ihr wieder viele davon aus. Lynn seufzte. Wenn das so weiterging, dann hatte sie in ein paar Monaten eine Glatze. Keine schönen Aussichten. Vielleicht sollte sie am Weg vom Therapeuten nach Hause einen Abstecher in die Apotheke machen und sich irgendwelche Vitamine oder Mineralstoffe gegen Haarausfall besorgen.
     
    Die Ordination des Psychologen war nicht weit von ihrer Wohnung entfernt. Nur drei Stationen mit der Straßenbahn und sie war da. Lynn stand vor einer alten geschmackvollen Jugendstilvilla.

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