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Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Die beiden Seiten der Münze (German Edition)

Titel: Die beiden Seiten der Münze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Ladan
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Sie läutete und trat ein nachdem der Türöffner von drinnen betätigt worden war. Der Flur war in dezenten Pastelltönen gehalten, an der Wand hingen einige Aquarelle mit Ansichten von Wien. Lynn wurde von einer freundlichen Empfangsdame begrüßt, sie erkannte die Stimme vom Telefon wieder.
     
    „Bitte nehmen Sie noch einige Minuten im Wartezimmer Platz, Herr Dr. Wögerer ist gleich bei Ihnen.“ Die Empfangsdame deutete lächelnd auf eine offene Tür. Lynn fand, dass das Wartezimmer keinesfalls wie ein solches aussah, eher wie ein gemütlicher Salon in einem britischen Landhaus. Außer einer dezent geblümten ausladenden Sitzgarnitur gab es einen Kamin, mehrere kleine Tische aus dunklem Holz und auf dem schönen Parkettboden lagen einige teuer aussehende Teppiche in den Farben der Kissen. Ein ganz leichter Blütenduft lag in der Luft. Lynn fühlte sich in diesem Raum irgendwie sicher und gut aufgehoben.
     
    Es dauerte wirklich nur ein paar Minuten, bis Dr. Wögerer den Raum betrat. Er war nicht mehr jung, Lynn schätzte ihn auf Mitte bis Ende Fünfzig, groß und schlank. Er trug eine graue Wollweste über einem hellen Hemd mit Krawatte, dazu eine graue Cordhose. Dr. Wögerer streckte ihr mit einem aufmunternden Lächeln die Hand hin. „Hallo Frau Monahan, schön dass Sie da sind. Darf ich Sie weiter bitten?“
     
    Lynn folgte ihm in das Nebenzimmer. Irgendwie hatte sich Lynn das Zimmer eines Therapeuten immer ganz anders vorgestellt. Hier war keine Spur von der klassischen Therapiecouch, es gab auch keine dunklen Ledermöbel. Es sah heimelig aus, warme und freundliche Farben, eine ähnliche Sitzgarnitur wie im Warteraum, dicke weiche Teppiche, passende Vorhänge in Pastellfarben und ebenfalls einen Kamin, in dem ein warmes Feuer knisterte.
     
    „Suchen Sie sich ruhig einen Platz aus“ forderte sie Dr. Wögerer auf. Lynn setzte sich etwas nervös auf die äußerste Kante des ihr am nächsten gelegenen Fauteuils, der Psychologe nahm ihr gegenüber Platz.
     
    „So, wie kann ich Ihnen helfen?“ fragte er. Lynn begann zögernd von ihrem Problem mit Cedric zu sprechen. Sie erzählte davon wie sie sich kennengelernt hatten, was er mit ihr gemacht hatte. Sie schilderte ihre Gespräche mit Alex und Therese und versuchte, nichts Wesentliches auszulassen. So schwer der Anfang auch gewesen war, je länger sie redete, desto einfacher wurde die ganze Sache. Im Gegensatz zu Alex und Therese schien die ganze Angelegenheit Dr. Wögerer keineswegs zu irritieren. Er hörte nur zu. Seinem Gesichtsausdruck war nicht zu entnehmen was er darüber dachte.
     
    Als Lynn geendet hatte, stellte er schließlich fest: „Und Sie sind jetzt hier, weil Sie sich mit dieser Situation nicht wohl fühlen. Warum?“ Lynn war durch die Frage ein wenig aus der Fassung gebracht. Ihre Freunde hatten gar nicht infrage gestellt, dass man sich schlecht fühlen musste, wenn man gebissen wurde. Das hatten beide vorausgesetzt. Lynn wusste im Moment gar keine  Antwort darauf. „Naja, weil es weh tut.“ war alles was sie herausbrachte.
     
    „Ist der Schmerz das Problem oder die Tatsache, dass er ihren Willen ignoriert?“
     
    „Irgendwie beides. Der Schmerz an und für sich ist unangenehm, aber so pervers das vielleicht klingt – die Tatsache, dass das für ihn so etwas Besonderes, Einzigartiges zu sein scheint, dass er nur mein Blut will, gibt mir schon einen Kick. Ich habe mir über mich selbst viele Gedanken gemacht, meistens keine erfreulichen, aber noch nie über mein Blut. Also ist dieses für mich auch nicht negativ belastet. Ich kann also zulassen, dass er das gut findet. Andere Aussagen wie Komplimente über mein Aussehen, meinen Charakter etc. könnte ich nicht annehmen, weil ich mir mein eigenes Urteil darüber schon vor langer Zeit selbst gebildet habe.“
     
    Dr. Wögerer nahm das kommentarlos hin und notierte sich nur einige Worte auf einem Blatt Papier. Lynn runzelte die Stirn und überlegte weiter: „Ich habe lange mit Therese darüber gesprochen. Immer wieder fielen die Wörter Selbstachtung und Respekt. Bisher haben wir uns immer gut verstanden aber dieses Mal versteht sie mich nicht. Wie denn auch, ich verstehe mich ja selbst nicht. Ich habe, was das Ignorieren meines Wunsches oder eher meiner Forderung betrifft,  das Gefühl, als absoluter Versager dazustehen. Ich hasse es, schwach zu sein. Ich will auch einmal die Starke sein, das klappt aber nicht. Weder in der Arbeit, noch bei meiner Mutter oder meinen Freunden und

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