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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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mich zu beschützen. Wenn ich ihnen nicht trauen konnte, wem dann?

Fünfzehn
    Ein paar Tage nach Wallace’ Beerdigung bekam ich per Post eine Beileidskarte von Robbie. Darin stand:
    Liebe Norrie,
    es tut mir leid, dass Dein Großvater gestorben ist. Du sahst so traurig aus bei der Beerdigung. Ich hoffe, Du bist nicht böse, dass ich einfach vorbeigekommen bin, aber ich wollte da sein, falls Du mich brauchst. Ich sehe jedoch, dass Du viel Unterstützung von Deiner Familie bekommst, vor allem von Deinen Schwestern. Ich will Deine Familie in einer solchen Zeit nicht stören, aber wenn Du mich anrufen willst, ich bin hier. Und warte. Wähl einfach. Oder schreib eine SMS oder so.
    Ich hoffe, wir sehen uns am Dienstag im Kurs, auch wenn ich verstehen könnte, wenn Du nicht hingehst. Manchmal ist Schnelllesen wahrscheinlich nicht das Wichtigste. Meistens sogar. Aber da ich Dich beim Schnelllesen kennengelernt habe, halte ich es für eine Grundvoraussetzung jeder akademischen Ausbildung. Es wäre auf jeden Fall schön, Dein Gesicht zu sehen, das sich ständig verändert.
    Robbie
    »Er hat nicht Dein Robbie druntergeschrieben«, betonte Jane wenig hilfreich.
    »Braucht er nicht«, erwiderte Sassy. »Schon die Tatsache, dass er die Karte geschrieben hat, ist ein Liebesbeweis.«
    »Du solltest sie Almighty und Ginger zeigen«, schlug Jane vor. »Sie würden sich vor Freude überschlagen, dass ein junger Mann, statt eine SMS zu schicken, tatsächlich per U.S. Mail kommuniziert. Die guten Sitten vergangener Tage und so. Von Brooks sehe ich hier keine Karten herumliegen.«
    »Sein Vater hat eine geschickt«, verteidigte ich ihn. »Im Namen des ganzen Overbeck-Clans.«
    »Trotzdem«, beharrte Jane.
    »Genau, trotzdem«, sagte Sassy.
    Dienstagabend ging ich zum Schnelllesen. Wie hätte ich zu Hause bleiben können? Ich wollte Robbie unbedingt sehen. Ich wollte wissen, was ich für ihn fühlte, jetzt, da er laut Sully und St. John vielleicht ein lüsterner Dreckskerl war.
    Ich kam ein bisschen zu spät zum Kurs und schlüpfte in die letzte Reihe, direkt neben ihn. Er forschte nach Spuren von Traurigkeit in meinem Gesicht. Bestimmt fand er welche. Er legte eine Hand auf meine und wandte sich wieder der Dozentin zu, die Techniken des Querlesens erläuterte.
    Ich hasse Querlesen , schrieb ich auf seinen Notizblock.
    Ich auch , schrieb er zurück. Wenn etwas wert ist gelesen zu werden, will ich jedes einzelne Wort lesen .
    Von dem Augenblick an, als ich neben ihm saß, wusste ich, dass Sully und St. John Unrecht hatten. Vielleicht war ich naiv. Vielleicht redete ich mir etwas ein. Aber ich beschloss: Wenn ich verletzt würde, dann war es eben so. Wie sollte ich sonst herausfinden, wie man einen ehrlichen Typen von einem Dreckskerl unterscheidet? Mein Instinkt sagte mir, dass Robbie ein ehrlicher Typ war, und falls sich mein Instinkt derart täuschte, dann musste ich eine Menge lernen.
    Nach dem Kurs nahm Robbie mich an der Hand und wir liefen über den Campus zu einem Café. »Ich muss dir was sagen«, verkündete ich bei Pfefferminztee.
    »Was denn, Herzensdame?«
    »In ein paar Wochen steigt dieses Riesending, Bachelors Cotillon genannt. Hast du je davon gehört?«
    Robbie schüttelte den Kopf. »Was ist das?«
    »Ein Debütantinnenball«, sagte ich. »Ich soll da hingehen. Mit meinem Dad, meinem Bruder und diesem Typen, Brooks. Meine Großmutter wird sich furchtbar aufregen, wenn ich nicht gehe. Ich dachte, du solltest es einfach wissen.«
    »Wann findet der Ball statt?«
    »Am einundzwanzigsten Dezember.«
    »Der kürzeste Tag des Jahres.«
    »Und die längste Nacht.«
    »Hoffentlich amüsierst du dich.«
    »Werde ich nicht. Keine Angst, das wird nicht passieren.«
    »Ich will aber, dass du dich amüsierst.«
    »Du verstehst es nicht«, sagte ich. »Dieser Junge, Brooks … man hat ihn, na ja, für mich ausgewählt.«
    »Mag er dich?«
    »Ich weiß nicht. Schwer zu sagen. Er ist äußerst pflichtbewusst. Er weiß, dass er mich mögen soll, also benimmt er sich, als würde er mich mögen. Vielleicht tut er es wirklich.«
    »Magst du ihn?«
    »Er ist nett«, antwortete ich. »Aber ich mag ihn nicht so wie dich.«
    »Gut zu wissen.«
    »Ich bin auch pflichtbewusst«, fuhr ich fort. »Nur deshalb gehe ich vermutlich zu diesem Ball.«
    »Solange du nicht darunter leidest, ist es doch nicht falsch, deine Familie glücklich zu machen.«
    »Das ist es ja«, erwiderte ich. »In letzter Zeit fühle ich mich so komisch. Ruhelos und

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