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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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alles beobachtet. Deine Diamantenbrosche war das größte Schmuckstück im Raum – sie sandte wie ein Gletscher blendende Lichtstrahlen aus und schien eine Art Kraftfeld um Dich zu errichten.
    Claire ließ ihre Bürste fallen und rannte auf mich zu. »Gott sei Dank, dass du da bist. Du musst mich vor Lily retten! Sie ist ein solches Miststück. Sie behauptet, sie hat mein Kleid im Schlussverkauf bei Wal-Mart gesehen.«
    Sie umklammerte meine Hände. Ich versuchte sie abzuschütteln. Ich war nicht in der Stimmung für Debütantinnentheater. »Hör nicht auf sie. Das ist doch offensichtlich erlogen.«
    »Ich weiß, aber jetzt kommt mir mein Kleid so billig vor. Warum ist mir, als ich es gekauft habe, nicht aufgefallen, wie scheußlich es ist? Ich werde für den Rest meines Lebens als die Debütantin im Wal-Mart-Fähnchen in Erinnerung bleiben.«
    »Du spinnst«, sagte ich. »Keiner von uns wird sich an irgendwas von diesem Ball bis an den Rest seines Lebens erinnern.«
    »Du Schaf, die meisten posten ihre Debütbilder und sie bleiben für immer und ewig im Netz«, jammerte Claire.
    Mrs Shriver klatschte in die Hände, um sich bemerkbar zu machen. »Hallo, Mädels und Begleitpersonen! Seid ihr bereit für eure große Nacht?«
    »Ja!«, kreischte die Menge sittsamer Debütantinnen.
    Sie ging den Ablauf des Abends ein letztes Mal durch: Empfangsreihe, Cocktails und Partyhäppchen. Vorstellung des Cotillon-Komitees, Präsentation der Debütantinnen – geht mit eurem Vater in die Mitte der Tanzfläche, knickst, anschließend werdet ihr von dem jungen Mann, den ihr als Begleiter gewählt habt, von der Tanzfläche geführt. Danach Bankett und Tanz. Stellt euch der Größe nach auf und marschiert in den Ballsaal. Wir haben das alles geübt. Wir sind bereit.
    Die Mädchen und ihre Mütter klatschten Beifall. Mütter küssten ihre Töchter, die zusammenzuckten. Ich hörte mehr als ein Mädchen seine Mutter anfahren: »Du verschmierst mein Make-up!«
    Ich fand ein Plätzchen vor einem der Ankleidespiegel und postierte mich für einen letzten prüfenden Blick. Bis auf meine Wangen, die rosa vom Rouge waren, sah ich blass aus. Ich öffnete meine Handtasche und nahm den Lippenstift heraus. Da steckte Robbies Karte, die wie Plutonium strahlte und mich vorwurfsvoll ansah.
    Er wartet am Bahnhof auf mich, dachte ich. Ich brauchte bloß dort hinzugehen und wir konnten vor all diesen Blumen und raschelnden Satinkleidern davonlaufen, vor dem Parfüm und dem Haarspray und den angestaubten alten Tänzen, bei denen Mädchen Jahr für Jahr nach demselben alten Muster herumgewirbelt wurden.
    Ich stellte mich mit den anderen Mädchen in einer Reihe auf. Du bliebst auf dem Weg in den Ballsaal stehen und gabst mir einen Kuss. Ich sah Dir direkt in die Augen – erinnerst Du Dich? Und dann sagtest Du etwas, das mich überraschte: »Herzallerliebste Enkelin, du hast meine Augen geerbt.«
    So etwas hast Du mir noch nie zuvor gesagt.
    Die Tür zum Ballsaal öffnete sich und wir marschierten zum Klang des Orchesters hinein. Ginger und ich stellten uns in die Empfangsreihe und warteten darauf, die Junggesellen beim Einzug in den Ballsaal zu grüßen. Daddy-o trug seinen Zylinder und küsste mich mit feuchten Augen. Sully kniff mich in die Taille, flüsterte: »Willkommen in der Hölle, Schwesterchen«, und lachte los, um zu zeigen, dass es nur ein Witz war – irgendwie. Brooks’ Eltern wünschten mir herzlich alles Gute und Mamie sagte: »Jede Familie würde dich mit Kusshand nehmen – wirklich!« Als Letzter kam Brooks, der mir die Hand küsste und mich mit aufgesetzter Gestelztheit begrüßte: »Guten Abend, Miss Sullivan.«
    Als sich die Reihe zerstreute, um sich den Cocktails und Häppchen zuzuwenden, war mein Magen in Aufruhr und ich bekam keinen Bissen hinunter. Ich nippte an meinem Bitter Lemon und versuchte, Small Talk mit den aufgetakelten alten Damen und seltsam koketten rotgesichtigen Männern zu machen. Sobald ich den Mund öffnete, stimmte mein Hirn Robbie, Robbie, Robbie an, wie ein Trommelschlag. Bald darauf blendete es die Unterhaltung aus, die Musik, alles, bis ich Angst bekam, ich würde dort auf dem Ball den Verstand verlieren.
    Man kann Brooks wegen nichts, was an diesem Abend passierte, einen Vorwurf machen. Er war ein perfekter Gentleman. Er nahm meinen Arm und führte mich durch den Saal, als spüre er, dass ich mich beruhigen musste. »Hast du deinen Knicks geübt? Ich habe gehört, die Jury gibt Punktabzug, wenn deine

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