Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
Seite stünde. Er will, dass ich glücklich bin.
»Mr Andrew Morton Stewart und seine Nichte, Amalie Caton Stewart.«
Ich war die Nächste. Ich trat einen Schritt vor und nahm Daddy-os Arm. Indem ich so tat, als würde ich ihm einen Fussel wegwischen, schob ich ihm die mit Bleistift hingekritzelte Nachricht in die Jacketttasche.
»Bist du so weit, liebe Tochter?«
»Ich bin so weit.«
Mr Ferguson kündigte uns an – »Mr Alphonse Sullivan III. und seine Tochter Louisa Norris Sullivan« – und wir traten ins Scheinwerferlicht. Das Aufblitzen Deiner Brosche blendete mich für einen Augenblick. Daddy-o gab mir einen Kuss und trat zur Seite, während ich in einem tiefen Knicks zusammensank. Ich hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren, doch ich fing mich in letzter Sekunde und richtete mich auf.
Brooks trat vor, um meine Hand zu nehmen und mich davonzugeleiten. Die alte Norrie wäre ihm bereitwillig gefolgt. Doch die neue Norrie brach aus mir heraus und übernahm.
Mit einem entschuldigenden Blick auf Brooks riss ich mich los und stürzte davon. Ich rannte den Gang hinunter, der zwischen den Reihen runder Tische zur Tür des Ballsaals führte. Hinter mir hörte ich die Leute verblüfft nach Luft schnappen. Ich blieb nicht stehen, um zurückzusehen. Ich rannte durch die Tür und die Treppen hinunter, alle dreizehn Stockwerke. Ich rannte durch die Lobby, die voller Weihnachtsfeiergäste war, rannte an dem livrierten Portier und den wartenden Limousinen vorbei in die kalte Dezemberluft hinaus.
Ich hatte keinen Mantel, hatte nicht daran gedacht, ihn zu holen, hatte auch keine Zeit dazu. Es war egal. Ich bog in die Charles Street und rannte Richtung Penn Station nach Norden.
Beim Rennen dachte ich: Was, wenn Robbie nicht dort wartet? Was, wenn er aufgegeben hat, weil er seit Wochen kein Wort von mir gehört hat? Was, wenn er der Scheißkerl ist, für den ihn Sully hält, ein Lügner, der nie im Entferntesten daran gedacht hat, auf mich zu warten? Was, wenn er sich versteckt, um zu sehen, ob ich komme, um sich dann über meine hoffnungslose Einfältigkeit totzulachen und abzuhauen?
Es war zu spät, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich hatte mein Debüt vergeigt. Ich hatte meine Familie und meine Freunde gedemütigt. Hinter mir lag nur verbrannte Erde. Wenn Robbie nicht am Bahnhof auf mich wartete, gab es nichts, wohin ich dann noch zurückkehren konnte.
Vielleicht doch, aber das wollte ich nicht.
Ich blieb auf der Schwelle zum Bahnhof stehen, um zu Atem zu kommen. Die kalte Luft brannte mir in der Kehle.
Robbie stand neben dem Weihnachtsbaum, genau wie ich es mir vorgestellt hatte. Über sein Gesicht lief ein Leuchten, als er mich sah. Er breitete die Arme aus. Ich rannte auf ihn zu.
Sämtliche Erklärungen konnten warten. Der Zug kam, wir stiegen ein und fuhren aus der nächtlichen Stadt hinaus.
Das ist die ganze Geschichte.
Es tut mir leid, dass ich Dich und Daddy-o und alle anderen blamiert habe. Aber ich muss gestehen: Diese drei Tage in New York waren so wundervoll, ich hätte sie nicht missen wollen. Bestraf nicht alle anderen für meine Verbrechen. Bitte, bitte vergib mir. Und bitte streiche uns nicht aus Deinem Testament. Es geht mir nicht so sehr um mich, aber Ginger und Daddy-o hätten keine Ahnung, wie sie ohne das Geld über die Runden kommen sollten. Und was hätte der arme Takey für ein Leben?
Ich bitte Dich um Verständnis … und wenn Du es erst einmal verstanden hast, wirst Du mir vergeben, da bin ich sicher.
Ergebenst und gehorsam,
Deine Enkelin
Louisa Norris Sullivan
Liebe Almighty,
Du willst ein Bekenntnis? Bitte sehr:
www.myevilfamily.com
Dort findest Du alle nötigen Beweise, vollständig und unzensiert. Ich habe nichts gelöscht. Ein großer Teil wird Dir nicht gefallen, aber so ist das Leben! Dies ist ein Bekenntnis, da muss ich also ehrlich sein, egal, wie schmerzhaft es ist – oder?
Wie ich gehört habe, hast Du die meisten meiner Blog-Einträge bereits gelesen. Ich füge noch ein paar Erklärungen hinzu, damit Du verstehst, was mir durch den Kopf ging, als ich sie schrieb. Wenn es Dir so leichter fällt, mir zu vergeben, wunderbar. Falls nicht, müssen wir Sullivans wohl staatliche Unterstützung beantragen oder so. Darauf könntest Du ja stolz sein.
Eins
myevilfamily.com
Meine Familie ist böse
Willkommen bei myevilfamily.com, einem Blog, den ich, Jane Sullivan, geschrieben habe, um die Sünden meiner Familie ans Tageslicht zu bringen. Da wir im
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