Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern
ich, während ich die Flammen orange ausmalte. »Obwohl die heilige Brigida strunzdoof war.«
»Melkerinnen, Kühe und uneheliche Kinder. Was gefällt dir daran nicht?«
»Willst du damit sagen, es gibt Kinder, deren Eltern nicht verheiratet sind?«, fragte ich sarkastisch. »Wie ist das möglich? Ich dachte, man muss verheiratet sein, bevor der Klapperstorch die Babys abwirft.«
»Ich mag die heilige Brigida«, entgegnete Norrie.
»Kann ich mir vorstellen.«
»Sie war hübsch.«
»Genau.« Der Vater der heiligen Brigida versuchte, sie mit einem jungen Barden zu verheiraten, doch sie wollte ihre Jungfräulichkeit behalten und flehte Gott an, ihr die Schönheit zu nehmen. (Ziemlich die gleiche Masche wie die heilige Wilgefortis. So viele weibliche Heilige hatten einen Jungfräulichkeitsfimmel.) Ihr Gebet wurde erhört, doch ihre Schönheit kehrte zurück, nachdem sie ihr Gelübde abgelegt hatte und Nonne geworden war. Warum? Was hat sie ihr noch gebracht? Dass sie gut aussah auf ihren Heiligenbildern aus Buntglas? Hübsche Heilige sind eben am beliebtesten.
»Ich bezweifle, dass die heilige Johanna von Orléans so viel Kajal benutzt hat«, sagte Norrie.
»Du kannst mich mal.«
»Wenn du hier reinplatzt und mein Zimmer als Qualmatorium missbrauchst, musst du mit meinen Ansichten leben.«
»In Ordnung. Dann geh ich eben in mein Zimmer«, erklärte ich, rührte mich aber nicht vom Fleck. Wir schwiegen eine Weile. Sie las auf ihrem Fensterplatz weiter.
»Warum gehst du dieses Wochenende mit Brooks aus?«, fragte ich.
Sie legte ihr Buch aus der Hand. »Keine Ahnung. Warum nicht?«
»Magst du ihn?«
Sie zuckte die Achseln.
»Aha. Keine gute Antwort.«
»Ja, ich mag ihn«, erwiderte sie. »Magst du ihn nicht?«
Er ist ein netter Typ, wenn man auf fade, duckmäuserische Opportunisten steht – was seltsamerweise eine Menge Mädchen tun. Ich weiß, Du findest ihn nett, Almighty, und ich möchte Deinen Geschmack nicht kritisieren. Aber es muss mal gesagt werden.
»Ich weiß, warum du in Wirklichkeit mit ihm ausgehst«, erklärte ich. »Weil Almighty das von dir verlangt.«
»Nein, stimmt nicht«, sagte sie. »Ich gehe mit ihm aus, weil ich wissen will, wie es ist, mit Brooks Overbeck auszugehen.«
Was sollte ich darauf sagen? Wir schwiegen wieder eine Weile. Dann kam Sassy herein.
»Was macht ihr zwei?«
»Nichts«, antwortete Norrie.
Sassy legte sich quer aufs Bett. Sie legt sich bei jeder Gelegenheit irgendwohin. Das hat sie von Ginger. Ist Dir schon mal aufgefallen, wie viele Liegen und Chaiselongues bei uns im Haus rumstehen? Nur damit Ginger sich in die Horizontale begeben kann, wenn sie den Drang danach verspürt.
»Ich habe dich und Lula heute gar nicht beim Hockeytraining gesehen«, sagte Norrie zu Sassy.
»Die Auswahl der Nachwuchsspieler fängt erst nächste Woche an«, sagte Sassy.
»Du versuchst also nicht mal, in die richtige Auswahlmannschaft reinzukommen? Ein paar von den Zehntklässlern schaffen es jedes Jahr.«
Sassy zuckte mit den Schultern. »Ich bin nicht so toll in Hockey.«
»Hockey ist das dämlichste Spiel, das je erfunden wurde«, erklärte ich. »Und Lacrosse ist das zweitdämlichste.«
»Wenn du mehr trainieren würdest, könntest du gut sein, Jane«, sagte Norrie. Sie quatscht immer alles nach.
Sassy starrte an die Decke.
»Was hast du denn, Sass?«, fragte Norrie. »Bist du müde?«
»Ja«, antwortete Sassy. »Und ich wurde gerade von einem Auto angefahren.«
»Was?« Norrie sprang von der Fensterbank aufs Bett.
»Sie macht bloß Witze.« Ich setzte mich zu ihnen aufs Bett. »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Schau sie dir an. Sieht so jemand aus, der von einem Auto angefahren wurde?«
»Wurde ich aber.« Sassy rieb sich die Augen. »Auf dem Northway. Ein Wagen fuhr rückwärts aus der Einfahrt und hat mich erwischt. Aber mir geht’s gut.« Sie berührte zerstreut ihr Bein. Dort war ein kleiner blauer Fleck von der Größe einer Münze.
Norrie flippte aus. »Bist du sicher? Willst du nicht lieber zu einem Arzt oder so, um sicher zu sein, dass du keine Gehirnerschütterung hast? Vielleicht hast du innere Verletzungen.«
»Ich bin nicht mit dem Kopf aufgeschlagen«, erklärte Sassy. »Wirklich, mir geht’s gut. Sie hat mich mehr gestreift.«
»Wer hat dich denn angefahren?«, fragte ich. »War es Mrs Vreeland?« Mrs Vreeland wohnt an der Ecke zum Northway. Als wir noch klein waren und mit Kindern in der Nachbarschaft spielten, haben wir manchmal die
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