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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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religiösen Regeln nicht befolgt. Später änderten sie ihre Meinung und sprachen sie heilig. Also muss irgendjemand in der Kirche einen Fehler gemacht haben, oder?«
    »Katholische Theologie ist sehr kompliziert«, blaffte Schwester Mary Joseph.
    »Wenn ihnen damals Fehler unterlaufen konnten, kann das doch heute wieder passieren«, fuhr ich ohne Aufforderung fort. Schwester M-J ging nicht auf meinen Kommentar ein.
    »Noch irgendwelche relevanten Fragen? Bibi?«
    »Muss der Heilige des einundzwanzigsten Jahrhunderts eine real existierende Person sein, oder können wir auch jemanden erfinden?«
    Bibis dämliche Frage wurde nicht mit dem speziellen Seitenblick abgestraft. »Ich denke, wenn du möchtest, kannst du auch einen idealen modernen Menschen beschreiben, der für die Heiligsprechung vorgeschlagen werden sollte. Noch etwas? Tasha?«
    »Können wir Sie als Heilige vorschlagen, Schwester Mary Joseph?«
    Schwester Mary Josephs Vorstellung eines Lächelns: Die dünne Linie ihrer Lippen zog sich etwas in die Breite. »Das ist sehr lieb von dir, Tasha, aber ich muss dich in aller Bescheidenheit bitten, diese Entscheidung dem Vatikan zu überlassen.«
    Ich muss dich in aller Bescheidenheit bitten  … Ich hätte kotzen können. Schwester Mary Joseph würde alles tun, um eine Heilige zu sein, da bin ich todsicher. Am liebsten hätte ich Tasha als Schutzheilige der Schleimscheißer, Speichellecker, Arschkriecher und Beste-Freunde-Klauer vorgeschlagen.
    Ich hob die Hand. Es gab etwas, das ich schon immer wissen wollte und noch nie eine Nonne gefragt hatte. Schwester Mary Joseph rief mich zögernd auf.
    »Schwester, haben Sie sich jemals gewünscht, ein Priester statt eine Nonne zu sein?«
    Schwester M-J biss die Zähne zusammen. »Hör auf, die Unterrichtszeit mit solchen albernen Fragen zu vergeuden, Jane. Männer sind Priester und Frauen sind Nonnen. Du könntest mich ebenso gut fragen, ob ich je darüber nachgedacht habe, ein Mann zu werden.«
    »Das lässt sich jetzt mit einer Operation hinkriegen«, erwiderte ich. Selbst die zickigsten Mädchen der Klasse lachten.
    »Jane Sullivan, falls du vorhast, dieses Verhalten für den Rest des Jahres an den Tag zu legen, kannst du das Klassenzimmer ebenso gut jetzt verlassen und nie wiederkommen. Wie sieht deine Entscheidung aus?«
    Bevor ich antworten konnte, bimmelte die Glocke. Alle sprangen auf.
    »Noch irgendwelche br-r-r-r-rillanten Fragen?«, trillerte Schwester M-J. »Nein? Dann könnt ihr gehen.«
    Ich war als Erste an der Tür.
    Ich nahm mein Zeichenpapier und meine Stifte mit, als ich zu Norries Zimmer hinaufstieg, in den Turm des Bösen. Ab und zu rauche ich gern eine während der Arbeit. Zuerst versuchte sie es mit »In meinem Zimmer wird nicht geraucht«, aber ich konterte mit »Bei Sully durfte ich das«, da gab sie klein bei. Sie hatte das Zimmer gerade von Sully geerbt und vermutlich fühlte sie sich noch nicht als vollwertige Besitzerin. Da es Norrie endlos aufregt, wenn ich rauche, macht es mir umso mehr Spaß.
    Ich arbeitete an meiner Ikone der heiligen Johanna von Orléans. Ich zeichnete sie an einen Pfahl gebunden, in den Himmel starrend und darauf wartend, dass Gott sie retten würde. Was er nicht tat.
    Sie war echt hart drauf. Sie war als Heilige keines dieser passiven Opfer, die nur litten – vergewaltigt und geköpft wurden, denen man die Augen ausstach und all so was. Sie war ein Mädchen der Tat. Sie kämpfte, um die Welt trotz aller Widrigkeiten zu ändern. Sie war siebzehn – so alt wie ich, Norrie, Hannah Montana –, als sie sich ein Schwert schnappte und erwachsene Männer gegen die Engländer in die Schlacht führte. 1429. Das nenne ich echtes Draufgängertum.
    Als beraten wurde, ob man sie zur Heiligen erklären sollte oder nicht (vierhundert Jahre nach ihrem Tod), stellten sich ein paar Anti-Johanna-Kirchenfuzzis gegen die Heiligsprechung, weil sie keine Märtyrerin sei – da sie ja nicht habe sterben wollen. Sie wollte leben, das gab sie unumwunden zu. Es ist mir egal, ob sie wirklich eine Heilige war oder nicht. Für mich ist das nur eine Formsache. Die Tatsache, dass sie leben wollte, statt freiwillig ins Feuer zu springen (wie die Zahnfee, die heilige Apollonia), erhöht meine Bewunderung für sie nur noch.
    Sie war leidenschaftlich. Sie sagte, was sie dachte. Sie nahm kein Blatt vor den Mund. Sie war großartig.
    Norrie stand auf und sah mir über die Schulter. »Malt Bridget die heilige Brigida von Kildare?«
    »Klar«, sagte

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